Porträt

Angriff auf das Generalalphabet

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Die Automatisierung des deutschen Apothekenmarktes begann in einem Zugabteil. Auf einer Fahrt nach Hamburg lernte Rudolf Wagner, Maschinenbauer in dritter Generation, 1993 ein Apothekerehepaar kennen. Man klagte sich gegenseitig sein Leid - über das Gesundheitsstrukturgesetz von Horst Seehofer und die Konjunkturflaute im Ingenieurswesen. Am Ende der Zugfahrt war die Idee des Automaten für die Apotheke geboren.

Wagner begann mit den Vorbereitungsarbeiten. 1995 holte er für Marketing und Vertrieb Markus Willems an Bord, der damals für Technisat den Export organisierte. 1996 gründeten die beiden Unternehmer in Kelberg in der Eifel die Firma Rowa, 1997 wurde der erste Kommissionierautomat in der Saxonia Apotheke in Dresden installiert. Einen einstelligen Millionenbetrag hatten Wagner und Willems bis zur Fertigstellung des Prototyps investiert; Fördermittel hatte es von Bund und Land gegeben.

Als Rowa 2000 Ausstatter der Apotheke auf der Expo Hannover wurde, waren bereits 100 Automaten verkauft, einige davon ins Ausland. 2003 wurde die vollautomatische Einlagerung (ProLog) entwickelt; hier rechnet Rowa mit einem Nachfrageschub, sobald auch das Verfalldatum automatisch eingelesen werden kann, zum Beispiel über 2D-Codes.

Zuletzt fielen die Rekordmarken im Zweijahrestakt: 2005 gab es 1000 Rowa-Automaten, 2007 waren es 2000, in diesem Jahr wurde die 3000er-Marke überschritten. Zwischen 55 und 60 Prozent werden mittlerweile ins Ausland geliefert; Rowa ist in 22 Ländern mit eigenen Niederlassungen oder Vertriebs- und Servicepartnern vertreten. Zum Teil werden am Firmensitz aus den zugelieferten Teilen nur Baugruppen getestet - so mancher Rowa-Automat wird erst in der Apotheke fertig gestellt.

Als Branchenpionier sieht sich die Firma nicht nur bei den Kommisionierautomaten, sondern auch mit ihrem Abgabeterminal Visavia. 2004 wurde das erste System auf der Expopharm in Köln präsentiert. Ein Apotheker aus Baden-Württemberg hatte den Notdienst nicht länger in der Apotheke absitzen wollen. Weil die Entwicklung für diesen Zweck zu teuer gewesen wäre, kam man bei Rowa auf die Idee, dass sich mehrere Apotheken die Videokonferenz teilen könnten.

Doch gerade das externe Servicecenter von Rowa bereitet Apothekenrechtlern Probleme. Der Herstelller schwört Stein auf Bein, keine Arzneimittel-Terminals außerhalb der Apotheke aufbauen zu wollen, zumal dies ja rein rechtlich derzeit gar nicht möglich ist. Und so wurde zuletzt vor dem Bundesverwaltungsergicht in Leipzig wieder einmal über technische Details gestritten, etwa die Unterschrift des Apothekers auf dem Rezept.

Bei Rowa bleibt man betont gelassen: 35 Visavia-Automaten sind derzeit installiert, zum Teil im Ausland. Zwölf Apotheker haben das Rowa-Servicecenter mit der Video-Bereitschaft beauftragt. Sollte es in Zunkunft keine Konferenzschaltung für Apotheker geben, sieht man bei Rowa immer noch Einsatzmöglichkeiten in anderen Branchen und in anderen Märkten.

Kerngeschäft dürften auf absehbare Zeit ohnehin Systeme für das Warenlager bleiben. Rund 400 Anlagen fertigen die 300 Rowa-Mitarbeiter pro Jahr; in diesem Jahr soll der Umsatz auf bis zu 60 Millionen Euro steigen. Rowa-Chef Willems sieht alleine in Deutschland 6000 bis 8000 Apotheken, für die ein Kommissionierer in Frage kommt. Eine Sättigung ist also nicht in Sicht.

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