Pharmahandelskonzerne

Boots: Grüße aus dem Steuerparadies

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Berlin -

Die Verlagerung von Gewinnen multinationaler Konzerne in Steueroasen bereitet Regierungen weltweit Kopfschmerzen. Ausgerechnet im liberalen Großbritannien machen Bürgerbewegungen Druck. Nicht nur US-Konzerne wie Starbuck's, Amazon oder Google stehen unter Beschuss, sondern auch der britische Pharmahändler Alliance Boots. Jetzt haben die Initiative „War on want“ sowie die Gewerkschaften „Unite the union“ (Großbritannien) und „Change to win“ (USA) einen gemeinsamen Bericht über die umstrittenen Steuersparmodelle des Konzerns veröffentlicht.

2007 hatten Konzernchef Stefano Pessina und der US-Finanzinvestor KKR Alliance Boots von der Börse genommen – nur ein Jahr nach der Fusion der britischen Drogeriekette und des italienisch-britischen Großhändlers. Der Kaufpreis von mehr als 12 Milliarden Britischen Pfund wurde zu drei Vierteln fremdfinanziert – die Schuldenlast sorgt bis heute dafür, dass der Konzern weniger Steuern zahlen muss.

Gewinne werden den Autoren zufolge in Steueroasen verschoben. Schon 2008 hatte Alliance Boots den Sitz der Konzernholding von London in die Schweiz verlagert. Deren Dachgesellschaft wiederum sitzt in Gibraltar; Pessinas Vermögensverwaltung ist formal in Luxemburg angesiedelt, der Privatmann in Monaco gemeldet. Die KKR-Fonds sind auf den Cayman-Islands, in Kanada und auf Guernsey registriert.

Auf 4,2 Milliarden Britische Pfund schätzen die Autoren den steuerpflichtigen Gewinn, den Alliance Boots so in den vergangenen sechs Jahren weniger erwirtschaftet hat. Ohne Schuldenlast hätte der Konzern zwischen 1,12 und 1,28 Milliarden Pfund an den Fiskus abführen müssen. Unter der Prämisse, dass alle Schulden in den Ländern gebucht werden, in denen die Gewinne erwirtschaftet werden, hätte der Konzern in den vergangenen vier Jahren noch 609 Millionen Pfund mehr versteuern und damit zwischen 155 und 159 Millionen Pfund abführen müssen.

Die vom Konzern ausgewiesene Steuerquote von jeweils circa 19 Prozent in den vergangenen drei Jahren korrigieren die Autoren auf 6, 7 und 9 Prozent. Grund seien buchhalterische Effekte wie beispielsweise Verlustvorträge.

Benachteiligt würden durch die Verschiebung von Gewinnen Mitbewerber, die keine Holding- und Finanzierungsgesellschaften in Steueroasen unterhielten. Als Beispiel wird in dem Bericht Celesio mit Steuerquoten um die 50 Prozent genannt.

Ärgerlich ist aus britischer Perspektive, dass Alliance Boots in seinem Heimatland aufgrund der guten Margen seiner Apothekenketten zwar 70 Prozent seiner Gewinne macht, aber anteilig teilweise weniger als die Hälfte seiner Steuern zahlt. Dazu kommt, dass ein großer Teil des Umsatzes aus öffentlichen Kassen an den Konzern fließen – also indirekt aus Steuermitteln.

Die drei Initiativen fordern eine ausführliche Untersuchung der Steuersparmodelle des Konzerns und eine Reform der Steuergesetze.

Boots erklärte, alle Steuern entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu zahlen und außerdem erhebliche Beträge in das Geschäft zu investieren. Der Bericht enthalte obendrein sachliche Ungenauigkeiten und Fehler. Es sei außergewöhnlich und enttäuschend, dass man im Vorfeld nicht kontaktiert worden sei.

In der Tageszeitung „The Independent“ wird Pessina mit einer Stellungnahme aus dem Mai zitiert, in der er die Steuerzahlungen seines Konzerns verteidigt: „Wir sind viel mehr als eine Cashcow – wir sind wie ein Wal. Jedes Mal, wenn ein Wal sein Baby füttert, gibt er ihm 50 Liter Milch. Wir sind wie ein Wal für die Regierung.“

Schon vor einem Jahr hatte Pessina in einem Interview mit der Financial Times die Stimmung in Großbritannien kritisiert: „Wir haben uns für den Erhalt des Standortes Nottingham eingesetzt – obwohl es einfacher gewesen wäre, alles zu schließen“, behauptete Pessina damals. Wenn sich das Klima nicht bald ändere, könnten sich einige Konzerne dazu entscheiden, das Land zu verlassen.

Laut Bericht haben Pessina und KKR über ihre Offshore-Beteiligungsgesellschaften seit der Übernahme rund 70 Millionen Pfund alleine an Gebühren kassiert. Nach dem endgültigen Verkauf an Walgreens wird KKR laut Bericht 220 Prozent Gewinn erzielt haben, Pessina wird größter Aktionär des ersten globalen Pharmahändlers sein. Profitieren werden schließlich auch die stillen Teilhaber wie die Strüngmann-Familie, die seinerzeit 295 Millionen Euro ebenfalls über die Cayman Islands investiert hatte.

Wäre der Deal schief- und Alliance Boots pleite gegangen, hätte – so sind sich die Organisationen sicher – schon alleine wegen der Größe der Staat einspringen müssen.

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