Österreich

Wellan testet Altsein

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Berlin -

Die Gelenke steif, die Sicht schlecht, Tremor in den Händen – bei der Fortbildungstagung der Österreichischen Apothekerkammer (ÖAK) konnte man das Altsein ausprobieren. Kammerpräsident Max Wellan traute sich und wurde in den Alterssimulationsanzug „Gert“ gesteckt. Mit alterstypischen Einschränkungen versuchte er, ein Fläschchen Augentropfen zu öffnen – vergeblich. Von Apothekern und Arzneimittelherstellern fordert er mehr Rücksicht auf die Belange Älterer.

Der Fortbildungskongress der ÖAK stand in diesem Jahr unter dem Motto „Geriatrie und Medikationsmanagement“. Um alterstypische Einschränkungen am eigenen Leib zu erfahren, konnten Teilnehmer den gerontologischen Testanzug (Gert) ausprobieren. Dieser besteht aus einzelnen Komponenten, die die sensomotorischen Fähigkeiten im Alter abbilden. Durch Kniebandagen wird eine Arthrose simuliert, durch Überschuhe Gangunsicherheit und durch Brillen verschiedene Augenerkrankungen – Wellan entschied sich für eine diabetische Makuladegeneration.

Die Erfahrung, auf einen Schlag um 30 bis 40 Jahre gealtert zu sein, beschreibt der Kammerpräsident als „beeindruckend und ein wenig beängstigend“. „Das Stufensteigen war ernüchternd“, sagt Wellan. Aber am meisten gestört haben ihn die Einschränkungen beim Sehen und Hören. Über Kopfhörer wurde die altersbedingte Hochtonschwerhörigkeit simuliert.

Nachdem Wellan ausgerüstet mit Gert einige Stufen hinauf- und hinabsteigen musste, nahm er sich einige Arzneimittelpackungen vor. Ausgerüstet mit Tremor-Handschuhen versuchte er, einen kindersicheren Verschluss zu öffnen, eine Tablette aus einem Blister zu drücken und Augentropfen anzuwenden – ohne Erfolg. Eine frustrierende Erfahrung, wie er rückblickend sagt. Auf die Möglichkeit, eine halbseitige Lähmung zu erfahren, verzichtete Wellan.

Aber auch alltägliche Dinge, wie Kleingeld aus der Brieftasche zu nehmen, wurden für den Kammerpräsidenten zur Herausforderung. „Das ist wirklich schwierig“, sagt Wellan. Er empfiehlt diese Erfahrung auch seinen Kollegen: „Man hat dann mehr Verständnis in der Apotheke, wenn ältere Menschen langsamer sind.“

Apotheker können seiner Meinung nach aber noch mehr tun als Verständnis zeigen: Sie könnten aus vergleichbaren Arzneimitteln altersgerechte Alternativen für ihre Patienten heraussuchen, Tabletten in Dosetten abpacken oder Augentropfen umfüllen. Auch in der Rezeptur hätten die Apotheker Einfluss auf die Wahl der Verpackung.

Bei den Herstellern sieht Wellan Handlungsbedarf: Sie würden heute noch viel zu sehr auf das Design und weniger auf eine altersgerechte Verpackung achten, kritisiert der Kammerpräsident. Er wünscht sich von den Unternehmen, auf die Apotheker zuzugehen und deren Erfahrungsschatz zu nutzen. Seine Kollegen ruft er dazu auf, Druck auf die Hersteller auszuüben.

Die Chance, das Altern selbst zu erleben, kam bei den Teilnehmern der Fortbildungstagung gut an: Alle Gert-Termine waren ausgebucht. Wellan hält es für sehr wichtig, persönliche Erfahrungen zu machen. „Dann tut man sich leichter in der Beratung“, sagt er. Diesen Rat gebe er auch den Pharmaziestudierenden auf den Weg.

Im kommenden Jahr soll es deshalb erneut die Möglichkeit geben, Einschränkungen selbst zu erfahren. Dann geht es um das Thema Lunge: Mit einem COPD-Simulator sollen verschiedene Grade der Erkrankung dargestellt werden. Mit einer auf diese Weise simulierten COPD Grad 3 eine Kniebeuge zu machen, ist Wellans Erfahrung nach schon schwierig.

Für den Hausgebrauch empfiehlt der Kammerpräsident bis dahin einen einfachen Test: Um zu erleben, wie sich Asthma anfühlt, müsse man lediglich drei Minuten lang durch einen Strohhalm mit einem Durchmesser von fünf Millimetern atmen. Dann könne man gut nachvollziehen, welche Ängste Patienten bei einem Anfall erlebten.

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