Impfstoff-Bevorratung

Ganzvirus-Impfstoff: Bund will auf EU warten

, Uhr aktualisiert am 04.07.2022 12:04 Uhr
Berlin -

Zahlreiche Menschen in Deutschland warten auf den Totimpfstoff von Valneva, doch die EU-Kommission hat angedroht, die Verträge wegen der verspäteten Zulassung zu kündigen. Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) gibt es derzeit keinen Plan B zur Beschaffung der Vakzine, die auf einer traditionellen Technologie beruht – obwohl noch vor einem Jahr ein möglichst breites Portfolio angestrebt wurde.

Nach Angaben des BMG ist noch offen, ob eine Belieferung mit Impfstoff von Valneva erfolgen wird. Derzeit verhandeln Hersteller und EU-Kommission darüber. Und hier will der Bund offenbar auch nicht vorgreifen: „Die EU hat durch vielfältige Beschaffungs- und Verteilprozesse dafür Sorge getragen, dass ausreichend Impfstoffe gegen Covid-19 zur Verfügung stehen“, so ein BMG-Sprecher auf Nachfrage. „Strategisch wurde dabei auf ein breites Portfolio an verschiedenen Firmen und Technologien gesetzt, um die Erfolgsaussicht einer schnellen Verfügbarkeit wirksamer und sicherer Impfstoffe zu erhöhen und das Risiko möglicher Fehlschläge und Lieferschwierigkeiten zu minimieren. Diese Strategie hat sich bewährt, wie die gute Versorgungssituation in der EU bereits zum Jahresbeginn 2021 trotz der Ausfälle und Verzögerungen bei verschiedenen Impfstoffkandidaten zeigt.“

Tatsächlich kamen seit Beginn der Impfkampagne die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna zum Einsatz sowie die Vektorimpfstoffe vo AstraZeneca und Janssen. Letztere haben allerdings wegen Berichten über Nebenwirkungen an Bedeutung verloren. Neu hinzugekommen ist seitdem lediglich der Totimpfstoff von Novavax, der allerdings rekombinant mit Hilfe eines Baculoviruses in Mottenzellen hergestellt wird und genau wie allen anderen Vakzine auf das Spike-Protein ausgerichtet ist.

Beim Impfstoff von Valneva dagegen handelt es sich um den einzigen Ganzvirus-Impfstoffkandidaten, der in Europa in Entwicklung ist. Dem Körper wird das gesamte abgetötete Virus präsentiert, sodass sich das Immunsystem mit allen antigenen Strukturen auf der Oberfläche auseinandersetzen kann. Zwei Probleme hat der Impfstoff allerdings: Er ist derzeit nur für die Altersgruppe von 18 bis 50 Jahren zugelassen; zusätzlich Daten für ältere Menschen müssen erst noch ausgewertet und nachgereicht werden. Und schließlich ist auch der Valneva-Impfstoff noch nicht an die neuen Varianten angepasst – das kann laut Hersteller aber nur geschehen, wenn auch Dosen abgenommen werden und damit Geld für die weitere Entwicklung zur Verfügung steht.

Keine neuen Bereitstellungsverträge

Wenn aktuell kein zusätzlicher Impfstoff benötigt wird – wäre dann nicht wenigsten eine Einbindung in die Bevorratungspläne des Zentrums für Pandemie-Impfstoffe und Therapeutika (ZEPAI) sinnvoll? Erst vor Kurzem hatte das Bundeswirtschatfsministerium (BMWK) mit fünf Hersteller Verträge zur Vorhaltung von Produktionskapazitäten für Impfstoffe gegen das Coronavirus und andere biologische Bedrohungen bis ins Jahr 2029 geschlossen. Das Gesamtvolumen liegt bei bis zu 2,86 Milliarden Euro.

Doch auch war Valneva offenbar zu spät dran: „Der Abschluss weiterer derartiger Verträge ist momentan nicht beabsichtigt“, so der BMG-Sprecher.

Alles auf eine Karte

Aktuell setzt die EU alles auf eine Karte: nämlich die mRNA-Impfstoffe. Dabei hatten sich die Gesundheitsminister der Mitgliedstaaten noch vor einem Jahr darauf geeinigt, dass die EU nicht nur auf einen Hersteller und eine Technologie setzen sollen, sondern auf mehrere. 2+2 laute der Ansatz, den die EU-Kommission bei der Beschaffung berücksichtigen solle, erklärte der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU): zwei mRNA-Impfstoffe und zwei Impfstoffe, die auf einer anderen Technologie beruhen.

Beim Abschluss des dritten Vertrages mit Biontech hatte auch EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides im vergangenen Jahr noch argumentiert, man setze „vorrangig auf Technologien, die sich bewährt haben, wie die mRNA-Impfstoffe, aber wir halten uns alle Optionen offen“. Und weiter: „Die vergangenen Monate haben deutlich gezeigt, dass wir ein breites Portfolio an Impfstoffen und verschiedene Technologien ebenso brauchen wie verlässliche Partner.“

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