Erlass der Zuzahlung

3€-Testgebühr: Gilt Lauterbachs Wort?

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Berlin -

Seinem Job als Steuerberater geht Lutz Helmrich aktuell nicht mehr nach – er ist Teststellenbetreiber. In Schleswig-Holstein und Hamburg betreibt er drei große Zentren. Die Nachfrage ist immer noch hoch – womöglich auch, weil Helmrich den Getesteten die Eigenbeteiligung von 3 Euro erlässt. Ob das zulässig ist, weiß er selbst nicht so genau, weil er von vielen Stellen widersprüchliche Aussagen bekommt.

Am 24. Juni trat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Berlin vor die Presse und stellte seine neue Testverordnung vor. Die kostenlosen Bürgertests für alle wurden gestrichen. Seit Juli besteht der Anspruch nur noch für bestimmte Gruppen. Und: Bei anlassbezogenen Tests wird eine Eigenbeteiligung in Höhe von 3 Euro fällig.

Lauterbach: Test-Rabatt zulässig

Auf die Frage von APOTHEKE ADHOC, ob es vorgesehen sei, dass die Teststellen die Eigenbeteiligung erlassen dürfen, sodass ein Wettbewerb entstehen könne, erklärte der Minister wörtlich: „Wenn die Testzentren diese Eigenbeteiligung erlassen wollten oder wenn beispielsweise die Länder diese drei Euro übernehmen wollen, dann ist das durch die Verordnung gedeckt.“

Diese Information hatte Helmrich auch von dem Sozialministerium Schleswig-Holstein bekommen: „Wie Sie bereits zutreffend festgestellt haben, hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach u.a. den Testzentren freigestellt auf die Eigenbeteiligung von 3 € zu verzichten.“ Zweck der Zuzahlung sei demnach vor allem, die Solidargemeinschaft von einem Teil der Kosten zu entlasten. Diese Nachricht erhielt Helmrich an einem Freitag im August.

Ministerium rudert zurück

Doch am folgenden Montag meldete sich das Landessozialministerium erneut. Leider müsse man die erste Mitteilung widerrufen. „Eine Verzichtsmöglichkeit des Leistungserbringers hinsichtlich der Eigenbeteiligung ist bereits nach dem Wortlaut des § 4a Abs. 2 TestV n.F. ist nicht gegeben“, so die neue Haltung des Ministeriums.

In der Testverordnung (TestVO) heißt es an dieser Stelle, „hat die zu testende Person einen Eigenanteil in Höhe von 3 Euro an den Leistungserbringer zu leisten“. Und danach: „Dieser Eigenanteil kann auch von dem Land getragen werden, in dem die Testung durchgeführt wird.“ In §6 der TestVO heißt es zur Selbstauskunft der Leistungserbringer zudem, dass die Testung zu einem der definierten Zwecke „und unter Eigenbeteiligung in Höhe von 3 Euro durchgeführt wurde“.

KVen widersprechen sich

Weil hier die Länder explizit genannt werden, gelte die Option auf den Verzicht nicht für die Teststellen, so die Argumentation der Behörde. „Auch vor dem Hintergrund der durch die Einführung einer Eigenbeteiligung bezweckten Lenkungswirkung ist eine Verzichtsmöglichkeit ausgeschlossen“, so das Ministerium weiter.

Erstaunlich ist die Einordnung von Lauterbachs Erklärung: „Etwaige von Herrn Bundesminister Lauterbach getätigte Äußerungen, die teilweise sogar vor Wirksamwerden der Verordnung getätigt wurden und eine Verzichtsmöglichkeit vermuten lassen, sind nach unserem Dafürhalten sicherlich misslich, letztlich aber unbeachtlich. Maßgeblich ist allein die sich aus der aktuell gültigen TestV ergebende Rechtslage.“

Abschließend verweist das Sozialministerium auf die Abrechnungsvorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die ebenfalls keine Möglichkeit des Verzichts auf den Eigenanteil vorsehe. Dies decke sich auch mit der Lesart der KV Schleswig-Holstein (KVSH).

Zweck der TestVO

Tatsächlich hatte Helmrich dort schon im Juni angefragt und zunächst keine verbindliche Aussage erhalten. „Ob ein Verzichten auf die Zuzahlung möglich ist, wird derzeit noch juristisch geprüft. Aktuell möchten wir Sie bitten die Zuzahlung zu kassieren und sich an die aktuelle Testverordnung zu halten.“

Erst nach dieser Antwort hatte er den Ausschnitt aus der Lauterbach-PK gesehen und erneut nachgefragt. „Wenn der Minister selbst eine solche Auskunft gibt, muss man sich wohl darauf verlassen können“, schrieb Helmrich der KV.

Doch die KV hatte sich inzwischen entschieden: „Es ist nach unserer Rechtsauffassung, die auch vom Gesundheitsministerium des Landes Schleswig-Holstein geteilt und unterstützt wird, nicht zulässig, auf die Zuzahlung von drei Euro zu verzichten.“ Das Ministerium des Landes habe das Bundesgesundheitsministerium über diese Rechtsauffassung informiert. Es gelte der Wortlaut der TestVO. Und als Warnung an Teststellen, die die Eigenbeteiligung trotzdem erlassen wollen: „Das Aussetzen der Zuzahlungen seitens der Teststellen würde aktuell dazu führen, dass die Voraussetzungen zur Abrechnung der zuzahlungspflichtigen Tests nach § 4a TestV gegenüber dem Bund nicht erfüllt sind.“

Riskiert er die Abrechnung?

In Westfalen-Lippe hat sich die KV ebenfalls umentschieden – aber in die andere Richtung: „Anders als zuvor durch die KVWL kommuniziert, ist ein Verzicht auf die Eigenbeteiligung in Höhe von 3,00 Euro möglich“, schrieb sie an einen Teststellenbetreiber.

Da Helmrich auch in Hamburg zwei Testzentren betreibt, hatte er sich auch dort an die Behörden und die KV gewandt. Doch das Gesundheitsamt konnte ihm keine verbindliche Aussage geben und die KV habe ihm überhaupt nicht geantwortet.

Für Helmrich kann die Eigenbeteiligung nur aus zwei Gründen eingeführt worden sein: „Entweder der Staat will Geld sparen oder man will, dass sich die Leute nicht mehr so oft testen lassen.“ Letzteres würde aber allen Aussagen der Politik widersprechen, die auf ein möglichst genaues Bild des Pandemiegeschehen abzielten.

Deswegen erlässt Helmrich aktuell die Zuzahlung in seinen Testzentren: „Aktuell riskiere ich das“, sagte er gegenüber APOTHEKE ADHOC. Und sollte ihm das Ärger bei der Abrechnung einbringen, wäre das Risiko in der Tat erheblich: Im vergangenen Sommer wurden allein im Testzentrum in Wentorf etwa 500 Personen pro Tag getestet. Als die Tests im Oktober kostenpflichtig wurden, sei die Nachfrage auf 60 Tests pro Tag zurückgegangen – nach Wiedereinführung der kostenlosen Bürgertests aber wieder auf 900 Tests hochgeschossen. Der Rekord lag bei 1044 Tests in sechs Stunden an Heiligabend.

Dass die Vorschriften so unterschiedlich ausgelegt werden, findet Helmrich unbefriedigend. In seinem Testzentrum in Schleswig-Holstein darf er zum Beispiel keine PCR-Tests anbieten. In Hamburg hätte er die Zulassung für seine Testzentren nicht erhalten, wenn er keine PCR-Tests durchführen würde.

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