Steuerstreit

DocMorris: Staat müsste Rx-Boni erstatten

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Berlin -

DocMorris hat es wieder einmal vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) geschafft. Der Bundesfinanzhof (BFH) möchte wissen, ob Apotheken ihre Rx-Boni als Aufwände steuerlich geltend machen können – und ob Unterschiede zwischen in- und ausländischen Versendern gerechtfertigt sind. Im Extremfall könnte der Staat die Aufwendungen der Holland-Versender ausgleichen müssen.

In dem Verfahren geht es um die Frage, ob DocMorris seinen Umsatz um die an seine Kunden ausgeschütteten Rx-Boni kürzen und damit Mehrwertsteuer sparen kann. Während das zuständige Finanzamt dieses Vorgehen bei Umsätzen mit Privatkunden nicht beanstandet hat, ließ es die Sache bei Kassenpatienten nicht durchgehen. Denn diese Lieferungen sind als sogenannter innergemeinschaftlicher Erwerb steuerfrei – DocMorris liefert zum Nettopreis, die Kasse muss als Empfänger die Mehrwertsteuer entrichten.

Da also gar keine Steuern zu zahlen sind, wollte DocMorris die Aufwendungen stattdessen bei den Umsätzen im Selbstzahlerbereich als „negative innergemeinschaftliche Erwerbe“ in Abzug bringen und so am Ende die Steuerlast senken. Das Finanzamt lehnte dies ab: Eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG komme nicht in Betracht, weil kein Zusammenhang zwischen den an die Kassenpatienten gezahlten Prämien und den Umsätzen mit Selbstzahlern bestehe. Schon innerhalb des GKV-Bereichs seien Empfänger der Leistung (Kasse) und Empfänger der Prämie (Endkunde) nicht identisch.

Nachdem das Finanzgericht Düsseldorf die Klage von DocMorris abgewiesen hatte, ging der Fall vor den BFH. Die Richter in München wollen nun vom EuGH zwei Fragen klären lassen:

  • Ist eine Apotheke, die Arzneimittel an eine Krankenkasse liefert, aufgrund einer Rabattgewährung an den Krankenversicherten zur Minderung der Steuerbemessungsgrundlage berechtigt?
  • Bei Bejahung: Widerspricht es den Grundsätzen der Neutralität und der Gleichbehandlung im Binnenmarkt, wenn eine Apotheke im Inland die Steuerbemessungsgrundlage mindern kann, nicht aber eine Apotheke, die aus einem anderen Mitgliedstaat an die gesetzliche Krankenkasse innergemeinschaftlich steuerfrei liefert?

In seiner Vorlage führt der BFH die Richter in Luxemburg tief ins Thema ein. So erklären die Richter ausführlich das Dreiecksverhältnis zwischen Apotheke, Krankenkasse und Versichertem: Rechtlich erwirbt nämlich die Kasse das Medikament, um es im Rahmen des Sachleistungsprinzips dem Versicherten zu überlassen. In diesem Zusammenhang räumen die Richter die Behauptung von DocMorris ab, dass die Zuzahlungen beziehungsweise die Sorgfalts- und Auskunftspflichten ein Rechtsverhältnis zwischen Apotheke und Versichertem begründeten.

Außerdem stehe der Vortrag der Versandapotheke „in Widerspruch zu der – von ihr selbst geschaffenen – wirtschaftlichen Realität“: Schließlich rechne DocMorris selbst mit den Kassen als Abnehmer der Leistung ab. Wäre dagegen von einer unmittelbaren Lieferung an den Versicherten auszugehen, stellten sich die Rechtsfragen gar nicht, weil dann die Umsätze ohnehin versteuert werden müssten.

Nachdem das also geklärt wäre, skizziert der BFH, welche Entscheidungen möglich wären:

  • Apotheken dürfen Rabatte an Versicherte generell nicht zur Minderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage heranziehen

Dafür spricht laut BFH, dass der Versicherte den Rabatt erhält, nicht aber die Krankenkasse. Daher mindert der Nachlass – anders als bei Selbstzahlern oder im PKV-Bereich – nicht die Aufwendungen für die Kasse: „Die Rabattgewährung an die gesetzlich krankenversicherten Personen hat keinerlei Auswirkungen auf die von den gesetzlichen Krankenkassen zu leistenden Aufwendungen.“ Auch wenn die Richter ganz offensichtlich zu dieser Antwort tendieren, fällt die Antwort aus ihrer Sicht in die Zuständigkeit des EuGH. Vorsorglich weisen sie darauf hin, dass eine solche Entscheidung nicht zu einer Diskriminierung führen würde: Deutsche Apotheken dürften keine Rx-Boni gewähren, und selbst wenn wären sie von einer entsprechenden Entscheidung genauso betroffen wie die niederländische Konkurrenz.

  • Wenn Apotheken dagegen die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer um entsprechende Aufwendungen mindern können: Müsste dies auch DocMorris im Sinne einer Gleichstellung von Inlands- und Binnenmarktumsätzen ermöglicht werden?

Nein, finden die Richter. Denn deutschen Apotheken sei die Gewährung von Rx-Boni gar nicht erlaubt, insofern sei gar keine steuerliche Ungleichbehandlung festzustellen. Und selbst wenn der EuGH dies als unerheblich erachte, sei immer noch festzustellen, dass DocMorris im GKV-Bereich keinerlei steuerpflichtige Umsätze aufweise, die minderungsfähig wären.

Und selbst wenn man um jeden Preis eine Gleichbehandlung konstruieren wolle, sei der Argumentation von DocMorris immer noch nicht zu folgen, da verschiedene Umsätze vermischt würden: „Würde die Rechtsauffassung der Klägerin zutreffen, wäre z.B. auch ein Steuerpflichtiger, der zum einen aus den Niederlanden in das Inland steuerfrei Kraftfahrzeuge und zum anderen im Inland steuerpflichtig Kühlschränke liefert, bei einer Rabattgewährung für die Kraftfahrzeuge berechtigt, im Inland die Steuerbemessungsgrundlage für die Lieferung von Kühlschränken zu mindern.“

Und wenn der EuGH trotz all dieser Argumente zu dem Ergebnis kommen sollte, dass in Bezug auf eine in den Niederlanden steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Inland ein Steuerminderungsanspruch zu gewähren ist, bliebe nur ein Ausweg: Dann wäre dieser „im normalen Besteuerungsverfahren festzusetzen und mangels – oder nach – Verrechnung mit einer Steuerschuld aus Inlandsumsätzen an die Klägerin auszuzahlen“. Heißt: Weil deutsche Apotheken Boni steuerrechtlich zur Minderung der Bemessungsgrundlage heranziehen könnten (was aber sozial- und apothekenrechtlich verboten ist), müsste der Staat den niederländischen Versendern, weil sie keine Steuer zahlen, die Aufwendungen erstatten.

Da das Dilemma, wenn man es als solches sehen will, also innerhalb des bestehenden Regelwerks nicht aufzulösen ist, könnte es nach Einschätzung von Beobachtern in Luxemburg aber auch eine neue Grundsatzdebatte geben: über die Regeln des innergemeinschaftlichen Erwerbs – oder über deutsche Preisbindung. Und vielleicht auch darüber, wie es um den fairen Wettbewerb bei DocMorris & Co. eigentlich wirklich bestellt ist. Möglicherweise begreift der EuGH bei dieser Gelegenheit, dass die Privilegierung ausländischer Versender ein Eigentor für den europäischen Binnenmarkt war.

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