ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

„Sie lügen doch!“ – Testkunde fliegt auf

, Uhr
Berlin -

„Anlasslos“ wird ersatzlos gestrichen. Wer sich jetzt noch testen lassen will, braucht einen guten Grund und Kleingeld. Die Apotheken sind verpflichtet, die Angaben zu kontrollieren und zu dokumentieren. Wer keinen Bachelorabschluss in angewandter Psychologie oder Kriminalistik vorweisen kann, muss sich mit einem handelsüblichen Lügendetektor aushelfen. Der ist seit vorgestern Pflicht in jeder Apotheke.

Das Lämpchen leuchtet rot! „Sind Sie sicher, dass Sie ihren Großvater im Pflegeheim besuchen?“, fragt die Apothekerin noch einmal. Dem Kunden treten Schweißperlen auf die Stirn. „Was? Nein. Ach so. Nicht Opa. Oper! Wir gehen in die Oper heute Abend.“ Wieder rot. Der Lügendetektor irrt nicht.

„Mmmmhhmmm“, macht die Apothekerin. „Dann haben Sie doch bestimmt ein Ticket?“ Der Mann kramt in seiner Tasche. „Ach Mist, nicht dabei.“ Rotes Licht. „Schwanger?“, fragt er vorsichtig. Das Lämpchen leuchtet lila und die Apothekerin hebt eine Augenbraue. „Ja, also gut, wir wollen einfach nur saufen gehen mit den Kumpels…“ Grünes Licht.

Jetzt sind Sie dran, liebe Leser:innen: Hat der Mann jetzt Anspruch auf einen Coronatest für 3 Euro oder nicht? Die neuen Regeln sind von lauterbach’scher Komplexität, aber dafür gab es immerhin fast mehrere Tage Vorlauf, um die Details zu klären. Was wohl zulässig, aber nicht sehr weitsichtig ist: Die Eigenbeteiligung darf erlassen werden – und einige machen das sogar. Da Minister Lauterbach aber auch noch 2 Euro an den Tests sparen will, lohnt sich das professionelle Nasebohren dann vermutlich gar nicht mehr.

Besonders erfreulich ist, dass endlich ein bisschen MEHR Bürokratie Einzug erhält: Die Apotheken müssen die Eigenerklärung der getesteten Personen abzeichnen und sich den Ausweis zeigen lassen. Vermutlich muss der Wisch noch 120 Jahre aufgehoben werden, falls doch mal jemand kontrollieren kommt.

Die Kassenärztliche Vereinigungen wollen genau das nicht mehr machen: „Nach sehr sorgfältiger Prüfung der neuen Testverordnung müssen wir Ihnen vor dem Hintergrund der schon jetzt bestehenden, eklatanten Betrugsproblematik mitteilen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen Bürgertestungen zukünftig nicht mehr abrechnen und auszahlen können“, heißt es in einem Brief an Lauterbach.

Und KBV-Chef Gassen hält es für eine „völlig sinnfreie Veranstaltung, anlasslos gesunde Menschen mit fragwürdiger Qualität zu testen“. Wobei aus diesem neuerlichen Wutstatement nicht klar hervorgeht, ob Gassen die Testung von Menschen tadelloser Qualität gutheißen würde und wie der Oberoberarzt diese definiert.

Wer trotz Doku-Pflicht, Diskussionen über 3 Euro und wütenden Ärzt:innen noch weiter testen möchte, muss bei der Auswahl der Tests noch etwas beachten: Grundlage ist ab sofort die gemeinsame EU-Liste. Denn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) beenden ihre eigene Auflistung – Marktübersicht und Evaluierungen werden eingestellt.

Lauterbach hat in dieser Woche noch einen Knaller gebracht: Er hat im Foyer seines Ministeriums die Eckpunkte für sein Sparpaket vorgestellt. Kurzfassung: Sein Amtsvorgänger Jens Spahn habe alle Strukturreformen ausgelassen, so dass den Krankenkassen im nächsten Jahr 17 Milliarden Euro fehlen. Also müsse er, Lauterbach, sparen und dabei ist er so unkreativ wie alle seine Vorgänger:innen: Beiträge hoch, mehr Steuermittel und bei den Leistungserbringer:innen wird gekürzt.

Wir wollten wissen, welche „Effizienzreserven“ er bei den Apotheken denn nun heben will und wie, aber der Minister verwies nur auf die anstehende Ressortabstimmung. Mein Tipp: Es fängt mit „K“ an und hört mit „assenabschlag“ auf. Die Abda empörte sich, ebenso die Ärzte, die Industrie, die Krankenkassen und sogar der grüne Koalitionspartner. Hier ist die ganze PK zum Nachschauen und hier der Versuch eines Livetalks direkt aus dem BMG.

Was war sonst noch? Shop Apotheke startet jetzt auch in Österreich einen Marktplatz und kooperiert mit Apotheken vor Ort. Noventi hat Zahlen vorgelegt und CEO Dr. Hermann Sommer erklärt gegenüber APOTHEKE ADHOC, warum er Factoring besser findet als Treuhandkonten. Und die Geldtransporteure streiken, Sie müssen also jetzt schnell branchenübergreifend lokale Geldtausch-Tandems bilden, um beim Münzgeld weiter flüssig zu bleiben. Schönes Wochenende!

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