Westfalen-Lippe

Versender haben keine Versorgungspflicht

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Berlin -

Ausländische Versandapotheken haben seit dem EuGH-Urteil mit dem Rx-Boni nicht nur einen Preisvorteil. Sie müssen sich außerdem nicht an die Apothekenbetriebsordnung halten und sind nicht zur Versorgung von Patienten verpflichtet. Dies bestätigte die noch amtierende NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) der Apothekerkammer Westfalen-Lippe anhand einer konkreten Beschwerde. Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening findet das „unhaltbar“ und erneuert ihre Forderung nach einem zügigen Verbot des Versandhandels für verschreibungspflichtige Arzneimittel.

„Wir müssen feststellen, dass Patienten in vielen Fällen von den Versendern nicht ordnungsgemäß versorgt werden“, so Overwiening. In letzter Zeit sind bei der Kammer mehrere Beschwerden eingegangen, weil Rezepte von Versandapotheken nicht beliefert wurden. Eine rechtliche Handhabe dagegen gebe es aber nicht, wie das NRW-Gesundheitsministerium jetzt mitgeteilt hat: „Ausländischen Apotheken obliegt nicht die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung.“ Für inländische Apotheken sehe die Apothekenbetriebsordnung hingegen vor, dass eine ärztliche Verschreibung in angemessener Zeit auszuführen ist.

Bestünden Bedenken, habe die Apotheke diese Unklarheit zu beseitigen. „Die Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung gelten aber nur in Deutschland, nicht für Versandapotheken hinter der Grenze“, schreibt die Kammer in einer Mitteilung. Sie könnten, so wie es in einem konkreten Fall eine Versandapotheke aus Venlo tat, die Herstellung eines Rezepturarzneimittels verweigern. Begründet wurde dies mit angeblich fehlender Plausibilität. Eine Patientin aus Hagen erhielt ihr Rezept zurück.

„Natürlich ist der Apotheker verpflichtet, vor Herstellung einer Rezeptur, diese nach pharmazeutischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Aber in diesem Fall, der leider kein Einzelfall zu sein scheint, ist das ein vorgeschobenes Argument“, so Overwiening. Denn die Überprüfung der Rezeptur durch die pharmazeutische Fachabteilung der Apothekerkammer und zusätzlich durch das Prüflabor DAC/NRF in Eschborn habe keine Probleme festgestellt.

Die beiden verordneten Wirkstoffe seien miteinander kompatibel: „Rein galenisch betrachtet ist die Rezeptur problemlos herstellbar, auch wenn die verordnete Kombination aus Antibiotikum und Glucocorticoid nicht mehr erste Wahl bei der Therapie infizierter Hauterkrankungen ist“, so Overwiening. Eine Einschätzung, die das Landesgesundheitsministerium teilt: „Aus fachlicher Sicht ist Ihre Bewertung korrekt“, heißt es in dem Schreiben an die Apothekerkammer.

Zugleich aber verdeutliche das Ministerium, dass ausländische Versandapotheken zwar das Recht hätten, deutsche Patienten zu beliefern, aber nicht die Verpflichtung, sie zu versorgen: „Eine behördliche Maßnahme ist somit im vorliegenden Fall nicht möglich.“ In einem anderen Fall hatte ein Patient aus Erkenschwick ein Rezept mit dem Wirkstoff Nitrazepam zur Behandlung von Schlafstörungen bei einer weiteren niederländischen Versandapotheke eingereicht. Das Rezept hatte er in einem Freiumschlag nach Heerlen geschickt. Dort wurde die Belieferung mit dem Hinweis auf komplizierte zollrechtliche Regelungen verweigert. Gegen eine Gebühr von 20 Euro konnte sich der Patient sein Rezept dann in einem Paketzentrum zurückholen. In der öffentlichen Apotheke wurde es anschließend binnen weniger Stunden beliefert.

„Aus unserer Sicht ist es unhaltbar, dass Patienten weiterhin mit Rezeptboni angelockt, dann aber möglicherweise gar nicht versorgt werden. Es kann nich sein, dass sich ausländische Versandapotheken nur die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken und damit die Vor-Ort-Apotheken schwächen, diese aber Tag und Nacht für die Versorgung geradestehen“, kritisiert die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe: „Wir brauchen daher, spätestens als erste gesundheitspolitische Maßnahme einer neugewählten Bundesregierung, das Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel. 21 von 28 EU-Staaten verfahren bereits so, bei uns wird es allerhöchste Zeit.“

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