Versorgungsstärkungsgesetz

Ärzte: Freiberuflichkeit nur Lippenbekenntnis

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Berlin -

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht mit der bisherigen Ausgestaltung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG) die flächendeckende ambulante Versorgung in Gefahr. KBV-Chef Dr. Andreas Gassen rechnet mit dem Wegfall von mehr als 25.000 Arzt- und Psychotherapeuten-Praxen. „Diese politische Entscheidung ist vollkommen unverständlich: Wie kann man sich auf der einen Seite über zu lange Wartezeiten beklagen, auf der anderen Seite aber ein Praxis-Abbauprogramm betreiben?“

Insbesondere die Verpflichtung der Kassenäztlichen Vereinigungen (KV), Arztsitze in überversorgten Regionen aufzukaufen, stößt auf Missfallen. Durch den Zwangsaufkauf werde die Niederlassung für Haus- und Fachärzte unsicherer. „Für den medizinischen Nachwuchs wird kein Anreiz geschaffen, in die eigene Praxis zu gehen. Im Gegenteil: Es werden zusätzliche Hürden errichtet“, so Gassen. Zudem werde die Handlungsfähigkeit der KVen nicht gefördert, sondern zusätzliche Bürokratie etabliert.

Bei der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) werde der „Wettbewerb mit gleichlangen Spießen“ nun in einen Bestandsschutz für die Krankenhäuser umgewandelt, sagte Gassen. „Es war die Politik, die diesen Versorgungssektor wollte. Nun weicht die gleiche Politik diesen zugunsten der Krankenhäuser auf.“

Gassens Kollegin Regina Feldmann findet die Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung falsch: „Zum einen suchen die Krankenhäuser selber händeringend nach Ärzten. Zum anderen muss man sich fragen, ob die von Politikern gemachten Bekenntnisse zur Freiberuflichkeit nur Lippenbekenntnisse gewesen sind.“ Kaum ein junger Arzt werde eine eigene Niederlassung in strukturschwachen Regionen wagen, wenn er damit rechnen müsse, dass Krankenhäuser ambulant versorgen dürften oder Medizinische Versorgungszentren (MVZ) errichtet würden.

Einige positive Seiten kann die KBV dem Entwurf abgewinnen, so etwa den geplanten Wegfall von Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei veranlassten Leistungen. „Dieser Schritt ist richtig. Die Sorge vor Regressen stellen für Medizinstudenten eine große Hürde auf dem Weg zu einer möglichen Niederlassung dar“, sagte Feldmann. Auch begrüßte sie den geplanten Innovationsfonds und die neue Rolle der KVen als Vertragspartner bei der Integrationsversorgung.

Die Freie Ärzteschaft (FÄ) sieht den Entwurf ausschließlich negativ: Alle Befürchtungen seien bestätigt worden, heißt es: „Uns erwarten massive planwirtschaftliche Eingriffe ins Gesundheitssystem, die die Betreuung der Patienten verschlechtern und den Praxisärzten noch mehr Daumenschrauben anlegen werden“, kritisierte Vize Dr. Silke Lüder.

„Gestärkt wird nicht die Medizin, sondern allein das Renditestreben der Klinikkonzerne, denn das Gesetz ebnet ihnen den Weg, in lukrativen Bereichen der ambulanten Medizin Geld abzuschöpfen.“ Die Vier-Wochen-Garantie für Facharzttermine sei reine Symbolpolitik. So dürften die geplanten Terminservicestellen kaum in der Lage sein, die Dringlichkeit einer fachärztlichen Behandlung festzustellen.

Besonders einschneidend seien auch die geplanten Ausweitungen von Regressen. Künftig drohe Praxisärzten sogar Regress, wenn sie zu viele Krankenhauseinweisungen ausstellen, zu vielen Patienten Arbeitsunfähigkeit bescheinigen oder sie zu oft zum Facharzt überweisen. Neben einer Medizin auf Flatrate-Niveau sei offenbar eine einschneidende Dezimierung der Arztpraxen das Ziel. Durch den Aufkauf von Arztpraxen würden Ärzte ihre eigene Abschaffung finanzieren.

Positiver sind die Kassen gestimmt: Beim GKV-Spitzenverband begrüßte man den Gesetzentwurf grundsätzlich: Es bringe „tatsächliche Verbesserungen, vor allen für Menschen auf dem Land, bessere Landärzteversorgung – das finden wir richtig“, so ein Sprecher. Aber es werde auch teurer. „Wir müssen uns drauf einstellen: im nächsten Jahr werden die Beiträge steigen. Das ist leider die Schattenseite des Gesetzes.“

Auch der Verband der Ersatzkassen (vdek) sieht den Entwurf positiv. Kritisch sei lediglich der Regressverzicht bei Behandlungsfehlern durch freiberufliche Hebammen. „Diese Regelung birgt ein unkalkulierbares Risiko für die gesetzliche Krankenversicherung, weil sie Begehrlichkeiten bei anderen Leistungserbringern wecken wird“, so die Vorsitzende Ulrike Elsner.

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