Sterilrezepturen

Hessen: Streit um Millionen-Retax

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Berlin -

Beim Hessischen Apothekerverband (HAV) ist man erleichtert, dass der erste Retax-Streit mit der AOK in der ersten Runde zugunsten des betroffenen Apothekers ausgegangen ist. Immerhin geht es um Millionenbeträge, die den Mitgliedern verloren gehen könnten.

Das Sozialgericht Darmstadt (SG) hatte am Freitag die exklusiven Zyto-Verträge der AOK Hessen unter Verweis auf die freie Apothekenwahl gekippt. „Mit dieser Entscheidung hat das Gericht das Selbstbestimmungsrecht des Patienten verteidigt und die AOK Hessen klar in ihre Schranken verwiesen“, sagt HAV-Chef Dr. Peter Homann.

Geklagt hatte ein Apotheker aus Darmstadt. Die AOK hatte alle Abrechnungen über Sterilrezepturen aus dem Dezember auf Null retaxiert – mit Verweis auf die Exklusivverträge, die die Kasse mit zwölf Apothekern abgeschlossen hatte. Die Richter stellten klar, dass Versicherte sich frei unter den zugelassenen Leistungserbringern entscheiden können. Das gelte auch für die Versorgung mit Zytostatika. Die Retaxationen seien deshalb rechtswidrig gewesen.

Dem Prozess vor dem SG waren laut HAV zahlreiche Einspruchsverfahren des Verbands für seine Mitglieder vorausgegangen, nachdem die AOK die Apotheken auf Null retaxiert hatte. Die Kasse haben diesen Verfahren nicht stattgegeben, sodass der HAV das Verfahren eines Mitglieds unterstützt habe, um eine rechtliche Klärung herbeizuführen. Außerdem habe man das Hessische Sozialministerium eingeschaltet und um aufsichtsrechtliche Prüfung gebeten.

Beim Verband liegen derzeit Einspruchsverfahren für das erste Quartal 2014 in Höhe von mehr als 3 Millionen Euro vor. Dazu kommen die Beträge für die Monate November und Dezember, die bereits streitig sind. Aktuell sind dem HAV zufolge noch Verfahren bei den Sozialgerichten Darmstadt, Kassel und Marburg anhängig. Weitere Verfahren gegen die AOK seien in Vorbereitung.

Der HAV hatte im Mai einen Nachtragshaushalt von 15.000 Euro beschlossen, um finanziell für den Rechtsstreit gewappnet zu sein. Je nachdem, wie die Urteilsgründe aussehen, könnte der Fall auch direkt vor das Bundessozialgericht (BSG) gehen. Die Apotheker haben Interesse an einer schnellen Klärung, da die Rechnungskürzungen existenzbedrohend sein können.

Den Verträgen droht aber nicht nur juristisch, sondern auch wirtschaftlich das Aus: Zwei Apotheker haben inzwischen ihre Exklusivverträge gekündigt, weil die Onkologen nicht mitspielten. Schon im Frühjahr hatten mehrere Zuschlagsgewinner diesen Schritt angekündigt. Die in der Ausschreibung ausgelobten Umsätze blieben aus und die vereinbarten Rabatt seien somit unzumutbar, argumentierten sie.

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