Streit um Corona-Impfungen bei Kindern

Söder vs. Stiko: Schlagabtausch eskaliert

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Berlin -

Der Streit zwischen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und der Ständigen Impfkommission (Stiko) ist am Freitag eskaliert. Söder fordert die Stiko seit Wochen auf, eine Empfehlung für Corona-Impfungen bei Kindern ab 12 Jahren auszusprechen, die Kommission verwehrt sich aber gegen Einmischungen von außen. Nachdem Söder sich deshalb abschätzig über die Stiko geäußert hat, fahren deren Mitglieder große Geschütze auf und rücken den CSU-Politiker in die Nähe von Autokraten.

Markus Söder und sie Stiko werden wohl so schnell keine Freunde mehr. Der bayerische Ministerpräsident fordert seit Wochen, dass die Kommission eine Empfehlung über Corona-Impfungen bei 12- bis 17-Jährigen ausspricht – schließlich habe die Europäische Arzneimittelagentur EMA das Vakzin ab 12 Jahren zugelassen. Die Stiko wies solche Forderungen bereits Anfang des Monats zurück. „Die Stiko ist im Gesetz bewusst als unabhängige Kommission angelegt. Die laute Einmischung der Politik ist kontraproduktiv und nützt niemandem”, erklärte ihr Vorsitzender Thomas Mertens vor knapp zwei Wochen.

Doch am Mittwochabend hatte Söder dann nachgelegt – und indirekt die Kompetenz der Kommissionsmitglieder infrage gestellt: „Wir schätzen die Stiko, aber das ist eine ehrenamtliche Organisation“, sagte er im Politikmagazin „Kontrovers“ des Bayerischen Rundfunks. „Die EMA – die Europäische Zulassungsbehörde – das sind die Profis. Die haben entschieden: Ja, der Impfstoff ist zugelassen.“ Die Stiko verunsichere mit ihrer Haltung, warf er ihr vor. Das konnte und wollte die Stiko nicht auf sich sitzen lassen.

„Mit diesen Äußerungen hat Markus Söder überzogen", sagte Stiko-Mitglied Rüdiger von Kries gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). „Das Verhalten und diese Äußerungen sind nicht zu akzeptieren.“ Ein wissenschaftliches Beratergremium zu diskreditieren, weil dessen Meinung einem nicht passe, gehe zu weit. „Mich erinnert dieses Vorgehen an das Verhalten von Politikern aus Ländern, deren Politik wir im demokratischen Deutschland nicht für gutheißen. Fred Zepp, Kinderarzt aus Mainz und ebenfalls Stiko-Mitglied, spielte den insinuierten Vorwurf mangelnder Befähigung an Söder zurück: „Das ist selbst unter Bedingungen des Wahlkampfs eine ungewöhnliche Einflussnahme von jemandem, der medizinisch nicht kompetent ist“, zitiert ihn die FAZ.

In einer Stellungnahme wehrte sich die Kommission noch einmal offiziell gegen die Anwürfe des CSU-Politikers. „Die aktuellen Aussagen von Herrn Söder und anderen Politikern zur Stiko und zu deren Arbeit sind auch unter Berücksichtigung der Wahlkampfzeit ungewöhnlich und müssen korrigiert werden“, heißt es darin. Die Stiko sei ein unabhängiges Experten-Gremium und ihre Tätigkeit werde von den Mitarbeitern im Fachgebiet Impfprävention des Robert Koch-Instituts (RKI) maßgeblich unterstützt. Auch gegen den Vorwurf, die Stiko sei fachlich nicht auf Augenhöhe mit der EMA verwehrte sie sich. Die Kommission arbeite „entsprechend ihres gesetzlichen Auftrages transparent nach streng wissenschaftlichen Kriterien und ist dabei keinesfalls weniger 'professionell' als die EMA“.

Dabei belehrte die Stiko Söder auch über ihre Arbeit: Ihr Auftrag sei es, Empfehlungen zu erarbeiten, wie ein zugelassener Impfstoff am sinnvollsten zur Anwendung kommt, die EMA hingegen prüfe die eingereichten Zulassungsunterlagen und erteile Zulassungen. „Die EMA hat weder eine Impfindikation für alle gesunden Kinder in Deutschland erstellt noch ist dies ihre Aufgabe“, so die Stiko. Auch dass es bei den Empfehlungen vielfache Änderungen gab, sei kein „hin und her“, wie Söder sagte, sondern „Ausdruck der sorgfältigen Analyse sich stetig verändernder und neu hinzukommender wissenschaftlicher Erkenntnisse, die angesichts der Dynamik der Forschung zu Covid-19 in rascher Folge veröffentlicht werden“.

Söder hatte der Stiko zuvor im BR vorgeworfen, eine Mitschuld daran zu tragen, dass der Corona-Impfstoff von AstraZeneca zu wenige Abnehmer finde. „Die Wahrheit ist auch: AstraZeneca ist heute ein Ladenhüter, weil es auch ein Hin und Her gegeben hat“, so der Ministerpräsident. „Die Impfkommission hat auch hier unterschiedliche Empfehlungen abgegeben. Das ist kein Vorwurf. Das ist aber eine Feststellung.“

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