Saar: Streik war erst der Auftakt

Protest gegen Honorardeckel: DAV soll nicht mit BKK verhandeln

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Berlin -

Der Streik im Saarland war laut Kammerpräsident Manfred Saar womöglich erst der Anfang. Bei der Vertreterversammlung verwies er auf die Reformpläne der Ampel – und ging mit Politik und Kassen hart ins Gericht.

Die Kammer hatte nicht zum Streik aufgerufen, weil sie laut Saar dazu nicht befugt war. „Aber da wir um die Existenz der Apotheken fürchten und davon natürlich auch direkt betroffen sind, haben wir den Streik befürwortet.“ Die hohe Teilnahmequote von 90 Prozent bezeichnete er als „sehr ermutigend“ – und als Blaupause für mögliche weitere Proteste: „Die Aktion war der gelungene Probelauf für die anstehende Strukturreform 2023.“

Laut Saar könnte im kommenden Jahr ein „großer Wurf“ gelingen. Seiner Meinung nach geht es vor allem darum, die Einnahmen der Krankenkassen auf eine breitere Basis zu stellen und kassenfremde Leistungen auszuklammern. Aber auch eine Reform des Krankenkassensystems sei nötig: „Brauchen wir 100 Krankenkassen?“

Was den Arzneimittel- und Apothekenbereich selbst angeht, müsse primär über Forderungen nach einer reduzierten Umsatzsteuer gesprochen werden und über das AMNOG-Verfahren. „Nur: Jahrzehntelange Politikerfahrung haben mich Bescheidenheit gelehrt. Die wirklich wichtigen Themen werden vermutlich nicht einmal angesprochen. Wir sollten also den gelungen Streiktag 2022 als Anleitung und Ansporn für notwendige Streiks in 2023 nehmen. Wenn wir überleben wollen, müssen wir bundesweit einheitlich 2023 unsere Ziele formulieren und gegebenenfalls konsequent dafür einstehen!“

Hilfsmittelvertrag stoppen!

Dass der BKK-Dachverband bereits eine Deckelung des Apothekenhonorars in die Diskussion eingebracht habe, spricht laut Saar für „Unwissenheit und Ignoranz“: Apotheken könnten gar keinen Einfluss darauf nehmen, ob und wann hochpreisige Arzneimittel abgegeben werden dürfen. „Die Forderungen des BKK-Dachverbandes sind ein Frontalangriff auf die Apotheken und sind an Dreistigkeit nicht zu überbieten.“ Saar forderte ein klares Zeichen des Deutschen Apothekerverbands (DAV) in der Form, die aktuellen Verhandlungen zum bundesweiten Hilfsmittelliefervertrag bis auf Weiteres ruhen zu lassen.

Saar schlug auch den Bogen zu den Lieferengpässen: Dass Apotheken in der Krise überhaupt noch so viele Arzneimittel vorrätig gehabt hätten, sei alleine auf den immer wieder angegriffenen einheitlichen Arzneimittelpreis und dem heilberuflichen Ethos der Apotheker zurückzuführen. „Umstände, die in der heutigen Zeit immer mehr in Misskredit geraten, außer in den politischen Sonntagsreden.“

Staatliche Fürsorgepflicht

Die betriebswirtschaftlich unwirtschaftliche Lagerhaltung verursache – gerade in Zeiten steigender Zinsen – deutlich höhere Kosten. Doch gesetzliche Vorgaben für Vorräte, aber auch Größe und Ausstattung der Apotheken seien gekoppelt an eine „staatliche Fürsorgepflicht“, so Saar: „Apotheken die Chance zu geben, privatwirtschaftlich auskömmlich als Unternehmen zu überleben. Die jetzige Erhöhung des Kassenabschlags ist hier ein weiterer Schlag gegen die Apotheker als Leistungserbringer und Leistungsträger.“

Mit dem Thema Versorgungslücken schlagen sich die Apotheken laut Saar schon seit Jahren herum. „Wir können damit umgehen und finden in der Regel Lösungen dafür.“ Die Hoffnung, dass nach den Erfahrungen der Pandemie endlich Initiativen ergriffen würden, habe sich nicht erfüllt: „Leider wird darüber nicht mehr öffentlich geredet.“ So stiegen die in Europa gegründeten Maskenhersteller aufgrund der chinesischen Dumpingpreise sukzzesive wieder aus. „Der Staat scheint andere Probleme zu haben. Von einer nationalen Arzneimittelproduktion ist auch nicht mehr die Rede. Was jetzt wieder zählt, ist den letzten Cent aus dem Gesundheitssystem heraus zu pressen, wie wir gerade selbst leidvoll erfahren. Also: zurück zu business as usual.“

Enttäuschte Hoffnungen

Die Politik habe offenbar nichts gelernt: Entweder seien den politischen Entscheidern die Umstände nicht bekannt – oder die Zusammenhänge würden einfach ignoriert. „Dass wir arzneimitteltechnisch abhängig sind auf der einen Seite von einer kommunistischen Diktatur in China, auf der anderen Seite von einem Land – Indien, das weiterhin enge Kontakte mit Russland pflegt? Egal!“ Aber dieses blinde „Weiter so!“ werde nicht funktionieren. „Da bin ich mir, leider, sehr sicher.“

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