Comeback von Armin und Hausapotheke

Preis: Erst Treueschwur, dann Versandverbot

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Köln -

Die politischen Chancen für die Apotheken sind riesig, findet Abda-Präsident Thomas Preis. Und sie sollten genutzt werden – bis hin zum Rx-Versandverbot. Die Wiedervereinigung sei schließlich auch zustande gekommen, obwohl viele Menschen schon nicht mehr daran geglaubt hätten, so Preis beim einem Live-Talk auf der APOTHEKENTOUR in Köln.

„Wir haben etwas erreicht, was vorher noch nie gelungen ist“, so Preis. „Die Apotheken haben ein eigenes kleines Kapitel im Koalitionsvertrag bekommen und nicht nur ein paar verstreute Sätze. Das bedeutet, die öffentliche Apotheke ist im Bewusstsein der Politik angekommen, darauf müssen wir aufbauen.“

Preis räumte ein, dass dies nur ein Zwischenschritt sei; er selbst habe viele Koalitionsverträge erlebt, die nicht umgesetzt worden seien. Aber man werde die Politik zu gegebener Zeit an ihre selbst gesteckten Ziele erinnern, so der Abda-Präsident. Wann, wollte Moderatorin Nadine Tröbitscher, Chefredakteurin von APOTHEKE ADHOC, prompt wissen. Jetzt konsitutuiere sich die Regierung gerade, auch die hauptamtliche Struktur im Bundesgesundheitsministerium (BMG) stehe noch nicht fest. „Wenn das alles klar ist, fängt der Politikbetrieb erst richtig an. Aber wir sind natürlich jetzt schon im Austausch.“

Schnell kommen müsse eine wirtschaftliche Stabilisierung, so Preis. Das Honorar sei seit 2013 nicht angepasst worden, eigentlich sogar schon seit Ulla Schmidt. „Die Rechnung geht nicht mehr auf, es gibt immer weniger Apotheken, und das wird zum Nachteil für die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger.“ Selbst in Köln gebe es ganz viele „Veedel“ (Viertel), in denen es gar keine Apotheke mehr gebe. „Die schlechte Versorgung kommt schon bei den Menschen an, deswegen muss die Politik jetzt wirklich absolut gegensteuern.“

Geld und Angebote

Die Forderungen seien klar: 9,50 Euro sofort, dann eine regelmäßige Anpassung über die Verhandlungslösung, so Preis. „Und dann machen wir natürlich auch Angebote.“

Dirk Vongehr, Apotheker aus Köln und Vizepräsident des MVDA, pflichtete bei: Er würde die Sache zwar nicht so pessimistisch betrachten, sehe aber auch die Herausforderung, dass Apotheken künftig nicht nur Packungen verkaufen sollten. „Unsere Frage muss sein: Wofür werden wir noch gebraucht, was können wir noch machen?“ Er plädiert für den Ansatz „Pharmacy first“, „das ist das, wo wir unbedingt hinmüssen, damit Versorgungssicherheit beispielsweise an Randzeiten und an Wochenenden gewährleistet wird“.

Auch Preis sieht den demographischen Wandel als Tsunami, der auf das Gesundheitswesen zurollt. „Da braucht es möglichst viele Anlaufstellen – auch die Apotheken.“ Daher werde man das Zukunftspapier erweitern: „Wenn Ärzteschaft und Politik jetzt auf ein Primärarztsystem setzen, dann sagen wir, dass das begleitet werden muss durch den Ansatz ‚Pharmacy first‘. Denn die Zahl der Praxen wird schon rechnerisch nicht reichen, als Bürger mache ich Sorgen, überhaupt noch einen Termin zu bekommen.“

Selbst das Zentralinstitut der Kassenärztlichen Versorgung (Zi) habe ausgerechnet, dass man mit bis zu 2000 zusätzlichen Kontakten pro Praxis im Jahr rechnen müsse. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die derzeitige hausärztliche Struktur bewältigen kann.“

Armin und Hausapotheke

Deswegen müsse man andere gut zugängliche Anlaufstellen schaffen. Preis verwies auf das Hausapothekenmodell mit der Barmer. „Wir werden etwas Entsprechendes entwickeln und in die Diskussion einbringen.“ In welcher Form es umgesetzt werde, müsse man sehen. „Wir werden das eng mit der Ärzteschaft abstimmen, zu der wir ein sehr gutes Verhältnis haben.“

Eine solide Gesprächsbasis gebe es beim Impfen, aber auch beim gemeinsamen Medikationsmanagement „Armin“: „Das haben wir zusammen mit der KBV entwickelt, dann wurde es eine Zeitlang nicht mehr weiterverfolgt. Jetzt werden wir es wieder aufgreifen, das ist schon mit KBV-Spitze abgestimmt, sodass wir es zur richtigen Zeit auch der Politik präsentieren können.“

Impfen als Blaupause

Ramin Heydarpour, Apotheker bei Pfizer, brachte das Impfen ins Spiel: Dort, wo Apotheken aktiv seien, laufe es gut, aber insgesamt sei noch viel zu wenig. Dabei nehme man den Ärzten definitiv nichts weg; andere Länder zeigten, dass auch die Impfquoten in den Praxen stiegen, wenn die Patientinnen und Patienten in den Apotheken angesprochen würden.

Aus seiner Sicht ist das Thema erst der Einstieg: „Ziel muss es sein, dass die Apotheken im Rahmen einer interdisziplinären Zusammenarbeiten weitere Präventionsaufgaben übernehmen, damit die Praxen dann Zeit und Raum für die wichtigsten Untersuchungen haben.“ Wenn auf diese Weise der Fokus auf die Versorgung vor Ort neu gesetzt werden, könnten sich die Heilberufe auch schnell gemeinsam absetzen von „anderen Konstellationen“, so Heydarpour.

Preis sieht das genauso: Schon aus wirtschaftlichen Gründen müsse das Impfen vom saisonalen zu einem ganzjährigen Angebot ausgebaut werden, sprich alle Totimpfstoffe erlaubt werden. Er sei stolz, dass Nordrhein bei dem Thema Vorreiter sei. „Da gibt es kein Wenn und Aber, wir werden das Ziel ganz deutlich weiterverfolgen.“

Erst Treueschwur, dann Versandverbot

Und dann müsse von der Politik der Treueschwur kommen – dass die inhabergeführte Apotheke vor Ort eine wichtige Anlaufstelle in der Gesundheitsversorgung sei. „Wir haben ein sehr stabiles System, stabiler als andere Systeme.“ Er verwies auf das Vordringen von MVZ: „Das ist ein Todesstoß für die gute ärztliche Versorgung, wenn immer mehr Praxen in die Hand von Finanzhaien kommen.“ Die Politik haben den Fuchs in den Hühnerstall gelassen, „wir können nur hoffen, dass sie ihn auch wieder hinaus bekommt.“ Denn auch für die Apotheke sei es schlecht, wenn die Versorgung zentral gesteuert werde.

Ähnlich sieht er den Versandhandel: „Das sind Player, die weltweit Risikokapital einsammeln und damit die Arzneimittelversorgung, die laut Gesetz durch Apotheken vor Ort gesichert werden muss, auch wenn es mitunter nicht kostendeckend ist, gefährden.“ Seine Botschaft ist klar: „Der Versandhandel gehört verboten.“

Einwurf von Vongehr: Er würde sich zwar ebenfalls wünschen, könne es sich aber nur schwer vorstellen. „Ohne gute Argumente wird es viele Klagen geben, daher würde ich eher auf den regulatorischen Weg setzen: Wer die Temperaturkontrolle nicht gewährleisten kann, darf nicht liefern. Dann wird der Versandhandel automatisch runtergefahren werden müssen, und wir werden sehr viel von dem Unrat wegbekommen.“

Laut Preis gibt es auch für ein komplettes Verbot gute Argumente. „Man muss sich Ziele setzen, die man erreichen kann, das Versandverbot ist möglich, auch wenn es schwierig ist.“ In vielen Ländern Europas sei er nicht erlaubt, „warum sind wir hier in Deutschland so dumm und lassen unser System schädigen durch Unternehmen, die nach ganz anderen Regeln spielen? Eine klare Sprache ist wichtig, auch die Wiedervereinigung ist nur zustande gekommen, weil es Menschen gab, die an sie geglaubt haben.“

Mehr Spaß am Beruf

Einig waren sich Preis und Vongehr darüber, dass die Apotheke sich auch im eigenen Interesse weiterentwickeln muss. „Alle meine PTA würden gerne mehr Aufgaben übernehmen. Wenn wir das nicht hinbekommen, laufen uns weiter die Leute weg.“ Dazu gehöre auch eine bessere Bezahlung, mit dem derzeitigen Tarifgehalt könne man sich in Köln keine Miete leisten, „aber ich muss meinen Angestellten ermöglichen, in der Nähe zu wohnen.“

Nadine Tröbitscher, Dirk Vongehr, Thomas Preis, Ramin Heydarpour (von links)Foto: APOTHEKE ADHOC

„Wir brauchen ganz klar eine finanzielle Stärkung und neue Aufgaben“, pflichtete Preis bei: „Der Beruf muss interessanter werden, gerade junge Kollegen sind sehr interessiert an neuen Leistungen. „Wir haben ja auch eine Verantwortung für die junge Generation, dass die Apotheke der Zukunft anders aussieht als die von heute.“

Wie man sich das vorstellen muss, wollte Tröbitscher wissen. Das könne aussehen wie eine große Lobby, in der Beratung und Dienstleistungen bis hin zu Telemedizin stattfinden. „Ich sage immer den jungen Kollegen, die eine Apotheke übernehmen wollen: Schaut euch genau die betriebswirtschaftlichen Zahlen an, aber schaut euch auch das Raumangebot an, um neue Dienstleistungen durchführen zu können.“

„Und guckt euch genau das Personal an“, warf Vongehr ein: „Wir müssen uns Dinge zutrauen, die wir heute noch gar nicht machen.“ Oft sei es so, dass gerade ältere Angestellte gar keine neue Verantwortung übernehmen wollten. „Wir müssen aber da rein, sonst gibt es bald viel zu wenige Ärzte und Apotheken und wir bekommen englische Verhältnisse.“

Freiwillige Angebote

Preis hofft, dass viele Kolleginnen und Kollegen vorangehen werden. Fakt sei aber auch, dass man an § 1 Apothekengesetz (ApoG) nicht rütteln wolle: Die Apotheken seien für die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung verantwortlich; zusätzliche Angebote, die darüber hinaus gingen, müssten freiwillig bleiben. „Nicht jede Apotheke muss mitmachen, auch wenn ich hoffe, dass sich so viele wie möglich einbringen werden.“

Das neue Selbstbewusstsein war allein drei Kollegen in der Schlussrunde anzumerken. Heydarpour bezeichnet Apothekerinnen und Apotheker als stolze Heilberufler, die ihre Kompetenz deutlich ausbauen könnten und sollten. Vongehr forderte einen Dialog mit der Politik auf Augenhöre – und bezweifelte, dass neue Player wie dm am Ende wirklich „sexy“ seien.

Und Preis ermutigte alle Kolleginnen und Kollegen, mit ihren Abgeordneten über ihre Ziele, Wünsche und Probleme zu sprechen. „Jetzt ist unsere große Chance, deswegen sind wir in den Koalitionsvertrag gekommen, das geht nicht von Berlin allein.“ Oder anders ausgedrückt: „Jetzt ist es an der Zeit, sich ein wenig Beton in den eigenen Rücken zu gießen.“

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