Kommentar

Grüne Scheuklappen

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Berlin -

Die Grünen und die Apotheker pflegen seit Jahren ein eher angespanntes Verhältnis. Auslöser des Dauerkonflikts war ein Antrag der Grünen im Bundestag zur Aufhebung des Fremdbesitzverbots, mit dem die Fraktion 2007 gegen die Stimmen aller anderen Parteien gescheitert war. Seitdem haben sich zwar auch immer wieder Grüne für die inhabergeführte Apotheke eingesetzt. Aber die Partei hat ein strukturelles Problem: Das Thema wird von einer Person besetzt – und die hat sich inhaltlich auch nach dem EuGH-Urteil keinen Zentimeter bewegt.

In der heißen Phase des Systemangriffs von DocMorris/Celesio gab es neben den Protagonisten Dr. Fritz Oesterle, dem übernommenem Ralf Däinghaus sowie Saarlands Justizminister Josef Hecken (CDU) eine weitere Reizfigur für die Apotheker: Biggi Bender von den Grünen. Die gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion hatte sich früh und eindeutig auf die Seite der Kettenbefürworter geschlagen, gemeinsame Diskussionsrunden im Bundestag inklusive.

Die Apotheker haben sich von dem provokanten Auftreten der Stuttgarter Bundestagsabgeordneten aus der Reserve locken lassen. Dass sich Bender auf zahlreichen Podien den wütenden Angriffen gestellt hat, spricht für ihren Kampfgeist. Einer inhaltlichen oder emotionalen Annäherung waren diese Treffen allerdings abträglich. Bender hat nicht viel für die Befindlichkeiten der Apotheker übrig, und das lässt sie diese auch spüren.

Das Problem: Ihre Meinung passt eigentlich nicht zu den Grünen. Die Ökopartei wird immer bürgerlicher und kämpft nach eigenem Verständnis für den Mittelstand. Großkonzernen die Tür zum Gesundheitsmarkt aufzustoßen sollte eigentlich nicht Sache der Grünen sein.

Viele in der Partei sehen das so, etwa Barbara Steffens, Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen oder die Fraktionschefin in Bayern, Theresa Schopper. Im Bundestag hat sich der Arzt Dr. Harald Terpe gegen Bender positioniert.

Doch den Takt gibt Bender an: Bei grünen Gesundheitsfragen führt an der Juristin kein Weg vorbei. Partei und Landesverbände sind auf die unbestrittene Expertise der gesundheitspolitischen Sprecherin angewiesen – und verweisen bei Rückfragen zu Apotheken stets an deren Berliner Büro.

Auch diese Kanalisierung passt nicht zu den Grünen: Die Partei überlässt sich in einer Grundsatzfrage der Gesundheitsversorgung den Emotionen einer einzigen Abgeordneten. Eine Partei mit zweistelligen Ansprüchen sollte sich eine solche Scheuklappenpolitik nicht leisten. Diskurs ist doch Programm bei den Grünen.

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