EU-Kommission

Keine Grenzen für Apothekenketten

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Die EU-Kommission kann sich auch ein Jahr nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht von den Apotheken trennen. Noch bis Weihnachten will man in Brüssel überlegen, wie es mit den Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich, Österreich, Portugal und Bulgarien weitergehen soll. Nach der juristischen Niederlage prüft die Behörde außerdem, was auf politischem Weg angestoßen werden könnte.

Zur Festlegung ihrer „künftigen politischen Prioritäten“ stellt die Kommission derzeit einen Bericht mit dem Titel „Ein effizienterer und fairerer Binnenmarkt in Handel und Vertrieb bis 2020“ zur Diskussion. Das Papier beruht auf einer Untersuchung, für die insgesamt fünf Sektoren unter die Lupe genommen worden waren, darunter die Apotheken.

Laut Gutachten gibt es im Binnenmarkt eine Vielzahl von Problemen, die die Leistungsfähigkeit der Einzelhändler einschränken. Dazu gehören nach Ansicht der Kommission Besitzbeschränkungen für Apotheken, die die vertikale Integration und den Aufbau grenzüberschreitender Ketten behinderten.

Beides könnte aber nach Ansicht der Behörde zu Einsparungen führen: „Man sollte sich bewusst sein, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten jeweils einzeln mit den Pharmaherstellern [über die Preise verschreibungspflichtiger Arzneimittel] verhandeln und daher nicht die grenzüberschreitende Einkaufsmacht entfalten können, die sie hätten, wenn sie wie die führenden Handelskonzerne in anderen Branchen agierten.“


Konterkariert werden solche kühnen Hypothesen durch eine Reihe betrüblicher Fehler: Dass in den Niederlanden der Versandhandel von OTC-Arzneimitteln erlaubt ist, hätten die Experten wissen können. Dass es in Bulgarien Fremd- und Mehrbesitz gibt, hätten sie wissen müssen - schließlich war es die Kommission selbst, die die Regierung in Sofia mit einem Vertragsverletzungsverfahren zur Liberalisierung getrieben hatte.

Ein Grund für den inhaltlichen Zustand der 100-seitigen Studie könnte die Tatsache sein, dass die europäischen Apothekerverbände die Beteiligung an der Anhörung verweigert hatten: Zur Abgabe des Fragebogens aufgefordert, hatte der europäische Dachverband ZAEU einsilbig auf das EuGH-Urteil verwiesen.

Andere Marktteilnehmer äußerten sich zu den verschiedenen Themenfeldern, darunter der Stuttgarter Pharmahandelskonzern Celesio und verschiedene Supermarktketten. Gefragt hatte die Kommission unter anderem zu Besitz- und Niederlassungsbeschränkungen für Apotheken, Problemen bei der vertikalen Integration, zu den Öffnungszeiten, zum Versandhandel und zur Apothekenpflicht. Zwischen April und Juni vergangenen Jahres gaben insgesamt rund 100 Firmen und 40 Behörden aus den Mitgliedstaaten ihre Stellungnahmen ab.

Die trockenen Fakten mussten sich die Beamten aber offenbar stückweise zusammentragen. Die durchschnittliche Entfernung der nächsten Apotheke etwa wurde errechnet aus geografischen Daten von Eurostat und den Angaben der Mitgliedstaaten zur Apothekenzahl. Zu Rate gezogen wurde in diesem Zusammenhang außerdem eine Publikation der Apothekerkammer Valencia mit dem Titel „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“.

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