Ineffiziente Interessenvertretung

Die Abda ist ein Sanierungsfall

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Berlin -

Ein Drittel mehr in drei Jahren: Die Abda fordert von Kammern und Verbänden mehr Geld und damit von den Apothekerinnen und Apothekern. 29 Millionen Euro will man 2024 ausgeben, dreimal so viel wie noch zur Jahrtausendwende. Mit diesem Größenwahn schwächt die Abda ausgerechnet diejenigen, die sie vertreten soll. Ein Kommentar von Patrick Hollstein.

69 Prozent mehr Geld in zehn Jahren – das Apothekenhonorar ist doppelt so lange eingefroren. Es ist erstaunlich, dass die Abda mit ihren alljährlichen Haushaltsrunden so lange durchgekommen ist. Angesichts des nächsten Sprungs stellt sich die Frage nach Nutzen und Effizienz des Systems: immer mehr Personal, immer neue fragwürdige Projekte wie der eigene Daten-Hub oder Millionen für dröge Plakatkampagnen? Und auf der anderen Seite sehr überschaubare Erfolge. Keine gute Leistungsbilanz.

Für viele Apothekerinnen und Apotheker ist die Abda so etwas wie das Finanzamt: Man weiß, dass man über Zwangsbeiträge und Gebühren Jahr für Jahr eine erkleckliche Summe zahlt. Aber man hat keinerlei Erwartungen, dass das Geld in irgendeiner Weise sinnvoll genutzt wird. Während aus dem Steuersäckel mit großem Fetisch Kreisverkehre gepflastert wird, sind es bei der Abda beispielsweise die Immobilien.

Wer für 50 Millionen Euro zwei Verwaltungsgebäude in seinen Büchern stehen hat und dafür Jahr für Jahr rund eine Million Euro an Nebenkosten zahlt, der muss als Berufsorganisation sehr wohlhabend sein. Wo Geld eingespart werden kann, so die Botschaft dahinter, diese Frage stellt sich nicht.

Das Problem: Niemand außer den Gesandten der Kammern und Verbände kennt die Zahlen, niemand weiß, welche Ausgaben wirklich erforderlich und welche Millionensummen gut angelegt sind. Und niemand kann mitreden. Selbst wenn einmal wider Erwarten hitzig diskutiert wird: Am Ende wird bei der Sitzung vor der Sommerpause die Vorlage der Hauptgeschäftsführung durchgewunken. So geht das seit Jahren.

Es sind seit Jahren dieselben Personen, die aus der Chefetage grüßen. Es scheint gemütlich, wohlig und warm zu sein. Und auch sehr sicher bei der Abda. Jedenfalls sicherer als für viele Apothekenleiter:innen, von denen vielen das Wasser bis zum Hals steht. Geld spielt in der Heidestraße und im weitreichenden Finanz- und Firmenkonstrukt anscheinend keine Rolle. Anders als in den Apotheken, deren Stimmung Monat für Monat schlechter wird.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Der Leidensdruck und damit auch der Unmut an der Basis sind inzwischen zu groß geworden, als dass ein immer weiter steigender Abda-Etat hinzunehmen wäre. Auch den Protesttag hat es überhaupt erst gegeben, weil die Basis auch aus Verzweiflung über ihre eigene Standesvertretung die Sache selbst in die Hand nehmen und ihren Ärger auf die Straße bringen wollte. Nur der Druck aus den Apotheken hat zu einer Mehrheit pro Protest geführt.

Genau das wird sich die Abda zunutze machen, um berechtigte Kritik am System wegzuwischen. Man wird die „starke Berufsvertretung“, Geschlossenheit, Einheit und manches mehr ins Feld führen, um Kritiker:innen als Nestbeschmutzer:innen mundtot zu machen. Geschickt hat sich die Abda auf diesem Weg eine „Nachwuchsorganisation“ gezimmert – und damit mögliche Kritiker:innen am Rand des Systems eingebunden.

Es ist das neue kritische Selbstbewusstsein vieler Kolleginnen und Kollegen, das eine echte Reform der Abda anstoßen könnte – und nicht nur ein Umbau der Gremien, wie ihn eine vom jahrzehntelang herrschenden Management beauftragte Unternehmensberatung vorgeschlagen hat. Von vielen Seiten werden Stimmen laut, die die Verschwendungssucht als Selbstbedienungsmentalität hinterfragen. Im Herbst stehen Kammer- und Verbandstreffen an, bei denen es angesichts drohender Beitragssteigerungen viele kritische Nachfragen geben dürfte, sogar geben muss. Womöglich ist an der Zeit, dass sich die gewählten Kontrolleur:innen des Systems Abda daran erinnern, was beispielsweise bei der Noventi geschehen ist, weil auch dort die Gremien konsequent weggesehen hatten.

Die Abda in ihrer derzeitigen Konstitution ist ein riesiger Apparat, der vor allem sich selbst ernährt. Wenn man dann auch noch mit gestiegenen Gehältern und Betriebskosten argumentiert und gleichzeitig die Apotheken mit denselben Problemen im Regen stehen lässt, zeigt das, wie gigantisch die Distanz zwischen Standesvertretung und den von ihr Vertretenen ist.

Transparenz ist gefragt. Wäre die Abda ein Unternehmen, bräuchte sie ein scharfes Controlling. Und eine Sanierung.

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