Corona-App: „Mehr geht kaum“

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Berlin -

Die Covid-19-Pandemie soll von nun an auch per App eingedämmt werden: Am Dienstagvormittag stellten Bundesregierung, Telekom und SAP die sogenannte Corona-Warn-App vor. Zweifel an der Datensicherheit wiesen alle Beteiligten zurück, betonten dafür aber den Nutzen für die Pandemiebekämpfung. „Die App dient vor allem der Vermeidung einer zweiten Welle“, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Die App ist sicher, freiwillig, einfach handhabbar. Mehr geht kaum.“

Im Kampf gegen Sars-CoV-2 ist nach wochenlangen Vorbereitungen die staatliche Warn-App zum freiwilligen Verwenden für alle Bürger gestartet. „Sie herunterzuladen und zu nutzen, ist ein kleiner Schritt für jeden von uns, aber ein großer Schritt für die Pandemiebekämpfung“, sagte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) am Dienstag in Berlin. Sie sei nach den Vorbereitungen nicht die erste Corona-App weltweit, sie sei aber die beste. Die Bürger könnten sich auf hohe Standards beim Datenschutz verlassen. Die Ärzte unterstützen die Anwendung. Die Opposition forderte erneut ein ergänzendes Gesetz.

Die App kommt nach Spahns Worten passend zur jetzigen Phase weiterer Corona-Lockerungen. Sie sei „kein Freifahrtschein, aber ein wichtiges weiteres Werkzeug in der Pandemie“. Etwa auf Demonstrationen, in Bussen und Bahnen gebe es nun zunehmend „anonyme Nähe“ zu anderen Menschen. Die App ermögliche dann Meldungen an Personen, die darüber sonst nie hätten informiert werden können. Spahn verwies auch auf die Urlaubszeit, wenn sich Deutsche im Ausland und bei Ferien im Inland träfen oder von Reisen zurückkommen.

Die App soll das Nachverfolgen von Infektionen erleichtern. Dafür kann sie via Bluetooth messen, ob sich Handynutzer über eine längere Zeit näher als etwa zwei Meter gekommen sind. Ist ein Nutzer positiv getestet worden und hat dies in der App geteilt, meldet sie anderen Anwendern, dass sie sich in der Nähe eines Infizierten aufgehalten haben. Dann kann man sich auch ohne Symptome auf Kassenkosten testen lassen. Kontaktdaten werden nicht zentral gespeichert, sondern nur auf den Smartphones. Die App-Entwicklung lief über die Deutsche Telekom und den Softwarekonzern SAP, die Kosten liegen bei 20 Millionen Euro.

Spahn betonte, die App ersetze nicht vernünftiges Verhalten. Es bleibe wichtig, Abstand zu halten und teils Alltagsmasken zu tragen. Die App könne helfen, Kontaktpersonen schneller zu warnen ­– dabei sei jede Stunde ein Gewinn. Die App sorge auf einfache Weise dafür, Infektionsketten zu erkennen. Nutzer konnten die App seit der Nacht zu Dienstag auf Smartphones herunterladen. Im App-Store von Google war sie bereits um kurz nach 2 Uhr morgens verfügbar, bei Apple dauerte es etwas länger. Nutzer klagten in sozialen Medien über Verzögerungen bei der Verfügbarkeit sowie über Probleme beim Herunterladen. In weniger als einer Stunde schienen die Startschwierigkeiten dann überwunden.

Telekom-Chef Timotheus Höttges sagte, an dem Projekt sei alles „Made in Germany“, auch die Server seien in Deutschland. Kritik an der Entwicklungsdauer wies er wie auch Spahn und Braun zurück. „Das ist das beste Public-Private-Projekt, das ich in meinem Berufsleben erlebt habe“, so Höttges. „Das ist der Rockstar in Sachen Geschwindigkeit und Zusammenarbeit.“ Die Digitalisierung betreffe nicht nur das Nachverfolgen von Infektionsketten, sondern auch Testzentren und Labore. „Wir gehen davon aus, dass gegenüber dem analogen Prozess bis zu vier Tage gewonnen werden können.“ Bis zu 20 Prozent der großen Testkapazitäten seien inzwischen digitalisiert, in den kommenden vier Wochen sollen möglichst alle Einrichtungen angeschlossen werden.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte, die App erfülle auch „höchste Ansprüche, was den Datenschutz angeht“ und leiste „einen ganz wichtigen Beitrag für das Einmaleins des Infektionsschutzes“. Gemeinsam mit den bisherigen Schutzmaßnahmen wie Atemmasken und Abstandsregeln gebe es nun ein sehr gutes System, zur Aufdeckung und Unterbrechung von Infektionsketten. Dabei gehe es vor allem darum, eine zweite Welle zu verhindern, wie Spahn betonte. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) betonte das Prinzip der „doppelten Freiwilligkeit“. Man entscheide selbst, ob man die Anwendung auf dem Smartphone installiere – und dann auch, ob man bei einem positiven Test dies der App mitteile. „Die Freiwilligkeit ist eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass diese App angenommen wird.“ Eine gesetzliche Regelung brauche es nicht.

Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Professor Dr. Lothar Wieler, erklärte, die App solle eine Ergänzung für die Arbeit der Gesundheitsämter beim Nachverfolgen von Infektionsketten sein. So könnten zusätzliche „Risikobegegnungen“ identifiziert werden. In die Risikobewertung flössen unter anderem Dauer und Nähe der Begegnung ein.

Auch nach dem Start dringen die Grünen darauf, den Einsatz der App per Gesetz zu regeln. „Wir hoffen, dass Millionen von Menschen die App jetzt runterladen“, sagte Fraktionsvize Konstantin von Notz. „Aber wir glauben, wenn man ein so relevantes Ding ausrollt, dass man dann die rechtlichen Fragen in einem Gesetz geklärt haben muss.“

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sieht auch noch Nachbesserungsbedarf bei der deutschen Corona-Warn-App. „Aus Sicht des Datenschutzes sehe ich keinen Grund, der gegen eine Installation spricht. Aber es gibt noch Schwachstellen.“ Vor allem stört sich Kelber an einem Verfahren, bei dem Nutzer eine TAN von einer Telefon-Hotline bekommt, um ein positives Testergebnis in der App einzutragen. Grundsätzlich soll das ohne Telefon-Hotline gehen.

 

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