Infektionskrankheiten

Experten: Influenza-Impfung für alle Kinder

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Berlin -

Die Ständige Impfkommission (STIKO) soll die Grippeimpfung von Kindern uneingeschränkt in ihre Empfehlungen aufnehmen. Das fordert die Autoren des Reportes „Influenzaschutz für Kinder“ (ISK). Kinder sind demnach deutlich häufiger und schwerer von Grippe betroffen als Erwachsene. Den Krankenkassen werfen die Experten vor, durch die Ausschreibung von Impfstoffen die Patientenversorgung zu erschweren.

Laut ISK-Bericht, den die Virologen und Pädiater in Zusammenarbeit mit AstraZeneca veröffentlichten, erkrankte zwischen September 2014 und Mai 2015 mehr als jeder fünfte Deutsche an Grippe. Kinder und Jugendliche traf es dabei besonders häufig. Obwohl die bis 17-Jährigen nur 16 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, fällt jede dritte Erkrankung in diese Altersgruppe.

Trotz der hohen Anzahl grippekranker Kinder sei die Impfquote mit 4 Prozent sehr niedrig, so die Autoren des Berichtes. Die STIKO empfiehlt eine Influenza-Impfung für Kinder mit Grundleiden beziehungsweise chronischer gesundheitlicher Einschränkung. Von den mehr als fünf Millionen der davon betroffenen Kinder wurden tatsächlich aber nur etwa 600.000 geimpft.

Kinder erkrankten aufgrund ihrer vielfältigen sozialen Kontakte häufiger an Grippe als Erwachsene und seien deutlich länger ansteckend, erklärt der Mitautor des Reports, Kinderarzt Dr. Gunther Gosch. Außerdem verlaufe die Krankheit besonders bei Kleinkindern schwerer als bei Erwachsenen.

Gosch fordert daher: „Um Kinder, Jugendliche und Erwachsene vor Grippeerkrankungen zu schützen, sollte die STIKO aus kinderärztlicher Sicht die Grippe- als Standardimpfung empfehlen – unabhängig von der Risikogruppenzugehörigkeit und zum frühestmöglichen Zeitpunkt.“

Die Autoren des Reports kritisieren weiterhin, dass das deutsche Gesundheitssystem Impfbemühungen nicht ausreichend fördere. Die Ausschreibungen zu Impfstoffen erschwerten eine patientengerechte Impfstoffauswahl und führten zu einer Verunsicherung der Patienten. Politik und Krankenkassen sollten ihre Verantwortung zum Infektionsschutz besser wahrnehmen.

Andere Länder erreichen bei Kindern deutlich höhere Impfraten. In den USA sind 59 Prozent der Kinder im Alter von sechs Monaten bis 17 Jahren gegen Grippe geimpft. In Großbritannien stiegen die Impfraten im Rahmen eines nationalen Impfprogramms bei Kindern in bestimmten Altersgruppen innerhalb eines Jahres um 40 Prozent. Anders als die STIKO empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Impfung für alle Kinder im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren.

Laut Angaben des Robert Koch Instituts (RKI) gingen Menschen in Deutschland in der vergangenen Saison rund 6,2 Millionen Mal wegen Grippe zum Arzt. 30.000 Menschen mussten ins Krankenhaus. Kliniken waren überlastet, in Unternehmen fielen die Angestellten reihenweise aus.

Ökonomen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen beziffern die Gesamtkosten der Influenza in der vergangenen Saison auf 2,2 Milliarden Euro. Das RWI geht davon aus, dass rund sechs Mio. Erwachsene an Influenza erkrankten. Sie fehlten im Durchschnitt fünf Arbeitstage, auch weil sie ihre kranken Kinder zuhause betreuten. Insgesamt wurden in der Grippesaison 2014/15 schlugen so etwa 30 Mio. Krankheitstage der Influenza zugeschrieben.

Abhängig von der Altersgruppe und vom Impfstoff ließe sich laut RWI durch eine hohe Grippeimpfrate die Zahl der Erkrankungen um bis zu 83 Prozent reduzieren. Dadurch könne ein volkswirtschaftlicher Schaden in Höhe von 1,3 Milliarden Euro vermieden werden.

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