Antikonvulsiva

Gabapentin/Pregabalin: Lebensbedrohliche Atemnot

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Berlin -

Unter der Therapie mit Gabapentin oder Pregabalin in Kombination mit Opioiden oder anderen Arzneimitteln, die das zentrale Nervensystem unterdrücken, kann es zu lebensbedrohlichen Atembeschwerden kommen. Darauf wies nun die US-Arzneimittelbehörde FDA in einer öffentlichen Mitteilung hin. Es ist nicht das erste Mal, dass die Wirkstoffe in den Fokus gelangen.

Die Beschwerden können der FDA zufolge nicht nur unter der Kombinationstherapie, sondern auch bei Patienten mit eingeschränkter Atmung oder älteren Menschen auftreten. Es seien zudem Berichte über den Missbrauch von Gabapentin oder Pregabalin allein und in Kombination mit Opioiden aufgetaucht. Dabei sei es zu schwerwiegenden Folgen bei der gleichzeitigen Anwendung gekommen, erklärte Douglas Throckmorton, stellvertretender Direktor für Regulierungsprogramme bei der FDA.

Zu den Risiken gehören Atemdepression und ein erhöhtes Risiko für Tod durch Überdosierung von Opioiden. „Als Reaktion auf diese Bedenken fordern wir Aktualisierungen der Kennzeichnung“, erklärte Throckmorton weiter. „Wir fordern die Arzneimittelhersteller außerdem auf, klinische Studien durchzuführen, um das Missbrauchspotenzial, insbesondere in Kombination mit Opioiden, weiter zu bewerten.“ Besonderes Augenmerk soll dabei auf den atemdepressiven Wirkungen liegen.

Gabapentin und Pregabalin zählen zur Gruppe der Antikonvulsiva: Die Arzneistoffe werden häufig im Rahmen einer Schmerztherapie verordnet. Sie sind indiziert zur Behandlung von Nervenschmerzen, Epilepsie und Angstzuständen. Die Wirkungen beruhen auf der Bindung an spannungsabhängige Calciumkanäle. Dadurch wird im zentralen Nervensystem die Freisetzung verschiedener Neurotransmitter wie Noradrenalin und Substanz P verringert. Die neuronale Erregbarkeit wird folglich gesenkt.

Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen gehören Schläfrigkeit, Schwindel und Ataxie. Der FDA liegen zudem Berichte und Daten vor, die zeigen, dass es zu schwerwiegenden Atembeschwerden kommen kann, wenn die Substanzen von Patienten mit bereits bestehenden respiratorischen Risikofaktoren eingenommen werden. Unter den 49 Fällen, die der FDA von 2012 bis 2017 gemeldet wurden, starben zwölf Personen an einer Atemdepression – alle hatten mindestens einen Risikofaktor. Nach Angaben der FDA könnte es weitere Fälle geben.

Es wurden zudem die Daten aus zwei randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten klinischen Studien an gesunden Menschen, drei Beobachtungsstudien und mehreren Studien an Tieren überprüft. Eine der Studien zeigte, dass die Einnahme von Pregabalin allein und mit einem Opioid-Schmerzmittel die Atmungsfunktion beeinträchtigen kann. Die andere Studie ergab, dass Gabapentin allein die Atmungspausen während des Schlafes verlängerte. Die drei Beobachtungsstudien zeigten einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Gabapentin und Pregabalin vor Operationen und Atemdepressionen nach verschiedenen Operationsarten. In mehreren Tierversuchen wurde ebenfalls festgestellt, dass Pregabalin allein und mit Opioiden die Atmungsfunktion beeinträchtigen kann.

„Unser Ziel bei der Erteilung der heutigen neuen Anforderungen an die Änderung der Sicherheitskennzeichnung ist es, sicherzustellen, dass Angehörige der Gesundheitsberufe und die Öffentlichkeit die mit Gabapentinoiden verbundenen Risiken verstehen“, erklärte Throckmorton. Dies gelte vor allem wenn sie zusammen mit Wirkstoffen wie Opioiden eingenommen werden, die das zentrale Nervensystem unterdrücken.

Gabapentin und Pregabalin werden jedoch häufig auch missbräuchlich verwendet: Denn beide Substanzen können auch einen „Kick“ und Euphorie verursachen. Ernsthafte Nebenwirkungen wie Atemnot, Unruhe, Halluzinationen, Aggressionen, epileptische Anfälle oder Tod können vor allem in Kombination mit anderen Arzneimitteln, Alkohol oder Drogen auftreten. Nach Angaben der FDA deuten auch die steigenden Verordnungszahlen auf den wachsenden Drogenkonsum hin: Zwischen 2012 und 2016 stieg die Anzahl der Patienten, die ein Gabapentin-Rezept erhielten, von 8,3 Millionen auf 13,1 Millionen pro Jahr. Bei Pregabalin stieg sie von 1,9 Millionen auf 2,1 Millionen pro Jahr. Darüber hinaus zeigen Daten, die 2016 aus einer niedergelassenen ärztlichen Umfrage stammen, dass geschätzte 14 Prozent beziehungsweise 19 Prozent der Patienten mit Gabapentin und Pregabalin ebenfalls Opioide erhielten.

Vor einiger Zeit gerieten die beiden Substanzen bereits in den Fokus: Um eine missbräuchliche Verwendung zu vermeiden, wurden in Großbritannien verstärkte Kontrollen für die Arzneistoffe eingeführt. Seit April werden Pregabalin und Gabapentin in Großbritannien als Klasse-C-kontrollierte Substanzen geführt und reihen sich in die Gefahrenstufe von Anabolika und Benzodiazepinen ein. Die Klassifizierung ist eine Reaktion auf Todesfälle, die mit der Verwendung der beiden Wirkstoffe in Zusammenhang gebracht wurden. Ärzte können Pregabalin und Gabapentin weiterhin verschreiben, jedoch müssen Apotheken die Verordnungen binnen 28 Tagen nach Ausstellung beliefern.

Der Pregabalin-Missbrauch nimmt auch in Deutschland kontinuierlich zu und stellt ein bedeutendes gesundheitliches Risiko dar. In einigen Regionen ist Pregabalin ist nach Opiaten, Benzodiazepinen, Cannabis und Alkohol zur fünfthäufigsten missbrauchten Substanz aufgestiegen. Fehlt der Nachschub, treten Entzugserscheinungen wie Unruhe, Zittern, Übelkeit, Kopfschmerzen oder Schlafstörungen auf. Die Vergiftungen verlaufen mittelschwer bis schwer.

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