Lymphdrüsenkrebs

Forscher entdecken Schutzschalter für Krebs

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Berlin -

Körperzellen besitzen „Schutzschalter“, die dafür sorgen, dass eine defekte Zelle nicht zu einer metastasierenden Tumorzelle wird. Das berichten Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) im Fachjournal „Nature“. Künftig könnten die Studienergebnisse für neue Therapieansätze gegen Lymphdrüsenkrebs (T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome) genutzt werden, der durch defekte Immunzellen ausgelöst wird.

T-Zellen haben unter anderem die Aufgabe, entstehende Krebszellen zu erkennen und abzutöten. Doch DNA-Fehler können dazu führen, dass diese Zelle selbst zu einer unkontrolliert wachsenden Tumorzelle wird. Das ist genau bei T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen (T-Zell-NHL) der Fall. An der aggressiven Form von Lymphdrüsenkrebs erkranken jährlich etwa 8500 Männer und 7500 Frauen. Die bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems kann überall im Körper entstehen. Zu den bekannten Risikofaktoren zählen unter anderem genetische Veranlagung, Helicobacter pylori, bestimmte chemische Substanzen, radioaktive Strahlen, hohes Alter sowie Immunschwäche.

Professor Dr. Jürgen Ruland, Direktor des Instituts für Klinische Chemie der TUM und „Principal Investigator“ am Zentralinstitut für Translationale Krebsforschung der TUM (TranslaTUM) und am Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), versucht mit seinem Team, die molekularen Mechanismen dieses Krebses genau zu verstehen, um neue Therapieansätze zu entwickeln. In der aktuell veröffentlichten Studie konnte die Arbeitsgruppe zeigen, dass auch die fehlerhaften T-Zellen einen Tumorsuppressor haben.

Im Mausmodell fanden die Wissenschaftler heraus, dass das Oberflächenprotein PD-1 (Programmed cell death protein 1) defekte T-Zellen frühzeitig abschalten kann und so verhindert, dass sie zu Tumorzellen werden. Den dazugehörigen Mechanismus konnten sie auch entschlüsseln: Onkogene aktivieren zunächst PD-1. Dann werden diese tumorfördernden Gene mithilfe weiterer Moleküle durch PD-1 unterdrückt. Somit wirkt PD-1 wie ein Schutzschalter, indem es ein unkontrolliertes Wachstum der defekten T-Zelle unterbindet.

Außerdem beschäftigten sich die Forscher mit der Frage, warum trotz dieses Schutzmechanismus viele T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome aggressiv sind. Dafür analysierten sie die genetische Datensätze von 150 Patienten. „Durch unsere vorherigen Ergebnisse haben wir gezielt PD-1 unter die Lupe genommen. In einzelnen Gruppen hatten mehr als 30 Prozent der Patientinnen und Patienten Veränderungen in den Regionen des Erbguts, die die Herstellung von PD-1 störten“, erklärt Dr. Tim Wartewig, Erstautor der Studie. Das habe für den Tumor fatale Folgen, denn PD-1 als „Not-Aus“ funktioniere bei diesen Patienten nicht mehr. „Die kranken T-Zellen können sich unkontrolliert vermehren.“

Im Mausmodell stellten sie fest, dass Idelalisib, ein Inhibitor der Phosphoinositide 3-Kinase (PI3K), einen Ausfall des PD-1-Signals wieder aufheben und damit die Tumorzellen zerstören kann. „Der Mangel an PD-1 bei T-Zell-Lymphomen fördert die Aktivität des PI3K/AKT-Signalwegs, und unsere präklinischen Daten weisen auf PI3K-Inhibitoren als Kandidaten für die Behandlung dieser Tumore hin“, schreiben die Wissenschaftler. Patienten mit gestörter Proteinherstellung könnten daher von diesen Arzneistoffen profitieren. „Medikamente dieser Art gibt es bereits für andere Krebsformen – ein Einsatz bei T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen sollte aus unserer Sicht überdacht werden“, sagt Ruland. Idelalisib ist im Gilead-Präparat Zydelig enthalten und zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit follikulärem Lymphom (FL) sowie mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) zugelassen, bei der sich immun-inkompetente B-Zellen ansammeln.

Unter den Non-Hodgkin-Lymphomen gibt es eine Vielzahl von Lymphomtypen. Der Grund dafür ist die große Zahl verschiedener Lymph- und Abwehrzellen. Sie alle können zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihrer Entwicklung entarten und so zu einer Krebserkrankung führen. Pharmakotherapeutisch können beim T-Zell-NHL derzeit Antikörper wie Rituximab (Mabthera, Roche), das dazugehörige Biosimilar Truxima (Mundipharma) sowie Obinutuzumab (Gazyvaro, Roche) eingesetzt werden. Desweiteren sind Kinase-Inhibitoren wie Ibrutinib (Imbruvica, Janssen) indiziert. Weiterhin finden Strahlen- und Chemotherapien sowie Knochenmarktransplantationen Anwendung.

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