HDAC-Inhibitoren: Krebszellen töten, gesunde Zellen schonen APOTHEKE ADHOC, 24.10.2018 11:07 Uhr
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In Krebszellen sind HDAC häufig fehlreguliert: Hemmstoffe können die Zelle in die Apoptose führen, ohne das gesunde Gewebe anzugreifen. Grafik: Professor Dr. Oliver Krämer
Berlin - Chemotherapeutika greifen auch gesunde Körperzellen an, was sich in unerwünschten Arzneimittelwirkungen wie Haarausfall, Nagelschäden und Schleimhautproblemen bemerkbar macht. Wenn im Rahmen der Therapie nur bösartige Zellen getötet und gesundes Gewebe nicht angegriffen würden, könnten derartige und andere Nebenwirkungen wahrscheinlich vermieden werden. Die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Oliver Krämer vom Institut für Toxikologie der Universitätsmedizin Mainz hat nun vielversprechende Ergebnisse mit Inhibitoren der Histon-Deacetylasen (HDAC) erzielt. Die Forschungsergebnisse wurden in mehr als 40 Fachjournalen veröffentlicht, darunter „Archives of Toxicology” und „Nature Communications”.
Der aktuelle Stand der Wissenschaft besagt, dass Tumorzellen gegenüber gesunden Zellen eine veränderte Markierung von wichtigen körpereigenen Proteinen mit sogenannten Acetylresten aufweisen. Diese Molekülstrukturen modifizieren Histon-Proteine, die einen Einfluss auf die Transkription haben. Außerdem beeinflussen sie die Funktion von Proteinen, die für die Zellproliferation von Bedeutung sind. Dieser Prozess unterliegt der Enzymfamilie der HDAC, die 18 Proteine umfasst. In Krebszellen sind HDAC häufig fehlreguliert, die Markierung von Proteinen mit Acetylresten ist dementsprechend gestört. Substanzen, die diese Enzyme hemmen, können das Wachstum und das Überleben von Krebszellen reduzieren. Sie verändern unter anderem Eiweißbausteine an der DNA, haben aber keinen Einfluss auf die Abfolge der Basenpaare.
Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass entartete Zellen von der Dysbalance der Acetylreste abhängig sind. Hier knüpfen die Forschungen von der Arbeitsgruppe um Krämer an. Der Professor forscht seit 2001 zu den HDAC-Inhibitoren und analysiert zusammen mit seinem Team die für die Tumorgenese relevanten Proteine in Bezug auf ihre Acetylierung, Phosphorylierung und Ubiquitinylierung. Ihr Ziel ist es, mithilfe von Hemmstoffen die Acetylierungsmuster in Krebszellen so verändern, dass diese zerstört werden. Gegen einzelne Mitglieder der HDAC konnte die Forschergruppe nun neue Erkenntnisse erzielen. Sie setzten bei ihren Experimenten mit Zelllinien und Labortieren die Arzneistoffe Valproinsäure, Entinostat, Romidepsin, Panobinostat und Marbostat-100 ein. Mittels HDAC-Inhibitoren konnten sie beispielsweise die Kontrolle über den Zellzyklus der Darmkrebszellen entziehen und damit eine Vermehrung der Tumorzellen stoppen.
Die Forscher fanden heraus, dass HDAC1 und HDAC die Synthese eines Proteins namens PR130 unterdrücken. Die HDAC-Inhibitoren bewirken dessen Akkumulation in entarteten Zellen. Dies soll den Ergebnissen zufolge entscheidend dafür sein, ob Tumorzellen nach der Behandlung mit Chemotherapeutika Zellzyklus-Kontrollpunkte aktivieren können. „HDAC-Inhibitoren können Krebszellen überlisten: Sie merken nicht, dass sie Stress durch Chemotherapeutika haben, reagieren daher nicht adäquat und sterben ab“, erklärt Krämer. Darüber hinaus haben die Wissenschaftler festgestellt, dass die Hemmstoffe Reparaturmechanismen der DNA in Krebszellen außer Gefecht setzen und diese dadurch empfindlicher für DNA-schädigende Chemotherapien machen können.
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