Nach Schließung der Stamm-Apotheke

Protestbrief: Apothekenkundin schreibt an Jauch

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Berlin -

Kritik an TV-Promi Günther Jauch wegen seiner Werbung für Shop Apotheke kommt nicht nur von Apothekerinnen und Apothekern. Auch die Kundschaft begehrt auf und ist empört über „diese Arroganz“ – wie Michaela Axtner aus Kulmbach die TV-Reklame beschreibt. Die 65 Jahre alte Chronikerin wollte den Spot nicht unkommentiert lassen. Als ihre Stamm-Apotheke schloss, platzte ihr der Kragen.

Günther Jauch wirbt für das Einlösen des E-Rezepts bei Shop Apotheke.Foto: APOTHEKE ADHOC

Axtner schätzt ihre Vor-Ort-Apotheke. Dort bekommt sie fußläufig nicht nur Arzneimittel, sondern auch individuelle Beratung. „Ich benötige Antihistaminika in hohen Dosierungen und großen Mengen, die haben für mich immer alles bevorratet“, freut sie sich. Im Gespräch mit einem Nachbarn über Lieferengpässe und der schwierigen Situation für Vor-Ort-Apotheken erfuhr sie von der Partnerschaft zwischen Shop Apotheke und Jauch und der TV-Werbung.

Empörung wegen Reklame

Die Reklame sorgte bei ihr für heftigen Ärger: „Ich war so empört über diese Arroganz der Werbung und über die dummen Aussagen“, sagt sie. Der TV-Spot sei „Mist“. Sie verfasste einen Protestbrief und kreierte zehn Fragen für Jauch. Damit wollte sie ihn zum Umdenken anregen und zeigen, warum die Vor-Ort-Apotheken mehr leisteten und ein wichtiges Element in der Gesundheitslandschaft seien.

Als dann die Kulmbacher Kranich Apotheke – ihre Stammapotheke – im vergangenen Herbst schloss, weil sie sich mit der Filiale zusammentat, wollte sie den Brief abschicken. Auf der Suche nach einer Adresse fand sie den Kontakt zu Inhaberin Regine Hartung, die ebenfalls einen Brief an Jauch geschrieben hatte. Die Apothekerin half ihr mit der Adresse weiter.

Axtner betont in dem Schreiben an Jauch, dass sie seine Werbespots für die Shop Apotheke „mit großer Irritation“ gesehen habe. Die Reklame sei „de facto gegen die Apotheken vor Ort“. Die wachsenden Probleme „unserer Apotheken, die in schwierigen Zeiten ums Überleben kämpfen“, würden „massiv dadurch mitverursacht, dass immer mehr Menschen sich von den scheinbar so günstigen ‚Online-Schnäppchen‘ locken lassen“, schreibt sie.

Grafik: APOTHEKE ADHOC

Die Chronikerin verfasste „ein paar kleine Denkanstöße“ im „Wer wird Millionär“-Format. Die erste Frage lautet: „Wo finden Sie sofort Hilfe, wenn sie umgehend ein starkes Schmerzmittel oder Material zur Wundversorgung brauchen?“ Als Antwortmöglichkeiten fügte sie an: „A In der Shop-Apotheke, B In der nächsten Kneipe, C In der Tankstelle oder D In der Apotheke um die Ecke“. Insgesamt sind es zehn Fragen, die die Bedeutung der Apotheke im Notdienst, beim Botendienst, bei E-Rezepten oder bei Kühlartikeln hervorheben.

Sie zweifelt nicht daran, dass Jauch die Botschaft versteht: „Die zweifelhaften Wettbewerbsmethoden Ihrer Partner sind nicht ohne Grund Gegenstand rechtlicher Untersuchungen – bemerkenswert, dass man sich für so etwas hergibt. Aber Ihr Spezialgebiet ist schließlich ‚Wer wird Millionär‘, da haben Sie offenbar die Antwort gefunden.“

Praktikum in der Apotheke

Dem Moderator schlägt Axtner vor, ein paar Tage Praktikum in einer Apotheke zu absolvieren. Das könne helfen zu erkennen, was er zerstöre. „Versuchen Sie es doch einmal, Horizonterweiterung schadet nie.“ Sie fordert ihn am Ende auf: „Handeln Sie umgehend! Erklären Sie öffentlichkeitswirksam, dass Sie einen Fehler begangen haben. Stoppen Sie diese gewissenlose Werbung und treten Sie zurück von Ihren Verträgen! Eigentlich gibt es nur einen Weg, den Schaden zu begrenzen, den Sie anrichten: Machen Sie Werbung für unsere Apotheken vor Ort!“

Apothekerin lobt Engagement

Doch die Botschaft scheint bei Jauch nicht angekommen zu sein. Axtner erhielt die fast identische Antwort wie bereits Apothekerinnen und Apotheker zuvor.

Bei ihrer Vor-Ort-Apotheke und auch bei Hartung kam das Engagement der Kundin gut an. „Wenn eine von einer Apothekenschließung betroffene Mitbürgerin sich die Mühe macht, in dieser aufwändigen Form für den Erhalt der Vor-Ort-Apotheken einzutreten, ist das sehr wertvoll und hat eine ganz besondere Qualität. Da kommt mal die Sicht derjenigen zum Tragen, an die sich die Werbung der Shop-Apotheke eigentlich richtet“, sagt die Mitinhaberin der Apotheke am Marktplatz in Ortenberg.

Axtner freut sich, indirekt an einer „dezentralen Kampagne“ für die Vor-Ort-Apotheken teilzunehmen. Ihre zehn Fragen dürften gerne geteilt werden, sagt sie. „Wenn ich den Apotheken damit helfen kann, mache ich es gerne. Bei den Ärzten geht es immer ein bisschen schnell, und die Apotheke vor Ort berät immer individuell.“ Zudem schone der Gang zur Apotheke die Umwelt – im Gegensatz zu Online-Bestellungen.

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