Arzneimittelskandal

Conterganstiftung streitet wegen Hilfsmitteln

, Uhr aktualisiert am 03.11.2015 17:06 Uhr
Köln -

Ein Pflegebett hätte die Conterganstiftung bezahlt, aber eben kein Boxspringbett. Jetzt ist das Bett ein Fall für den Richter. Der zeigte Verständnis für die Klägerin.

Kann ein Boxspringbett für Conterganopfer mehr als ein Möbel sein? Diese Frage beschäftigt das Verwaltungsgericht Köln seit Dienstag. Eine 53 Jahre alte contergangeschädigte Frau mit sehr kurzen Armen hat die Conterganstiftung auf Kostenübernahme für dieses spezielle Bett verklagt. Ein Arzt hatte der Frau das Bett mit elektrischer Funktion und einer besonderen Matratze verordnet. Dadurch könne sie wieder selbstständig aufstehen, sich ohne Hilfe hinlegen, habe fast keine Schmerzen mehr und könne durchschlafen, stellte die Klägerin fest. Das Bett sei für sie ein Hilfsmittel.

Die Conterganstiftung lehnte eine Übernahme der Kosten von gut 5000 Euro unter Hinweis auf die vom Bundesfamilienministerium vorgegebenen Förderrichtlinien ab. Ein deutlich teureres Pflegebett hätte die Stiftung den Angaben zufolge aber übernommen. „Ich verstehe jeden, der nicht ein Pflegebett in der Wohnung haben will“, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Fleischfresser. Die Klägerin habe das Bett gekauft, weil sie es brauche und nicht, weil sie ihre Wohnung damit habe möblieren wollen. Das Urteil wird in zwei Wochen erwartet.

1957 hatte das Pharmaunternehmen Grünenthal das Schlafmittel Contergan auf den Markt gebracht, das damals von vielen Schwangeren genommen wurde. Von den etwa 5000 behinderten Kindern, die mit schweren Missbildungen an Armen und Beinen in Deutschland auf die Welt kamen, leben heute noch etwa 2700.

Der Bund stellt seit 2013 in einem Fonds jährlich 30 Millionen Euro für Sonderbedürfnisse von Conterganopfern zur Verfügung – für sogenannte spezifische Bedarfe. In dem Prozess geht es um die Frage, was bei Contergangeschädigten darunter zu verstehen ist. Nach Angaben der Klägerin und von Opferverbänden ist es die erste Klage dieser Art.

Gegründet wurde die Stiftung im 1972 auf Beschluss des Bundestags als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie sollte die gerechte Verteilung der Mittel sicherstellen, die Grünenthal zugesagt hatte. In einem Prozess hatte das Unternehmen mit den Eltern der Kinder einen Vergleich zur Zahlung von 100 Millionen Mark (rund 51 Millionen Euro) geschlossen. Mit der Stiftungsgründung konnten die Betroffenen keine weiteren Ansprüche gegen Grünenthal geltend machen.

Der Bund stockte das Vermögen der Stiftung um 320 Millionen Mark (rund 164 Millionen Euro) auf. Die Mittel sind längst aufgebraucht, seit 1997 kommen die finanziellen Leistungen aus Steuermitteln.

Die Conterganstiftung zahlt seit 1972 finanzielle Leistungen, wie die monatlichen Renten, eine einmalige Kapitalentschädigung und eine jährliche Sonderzahlung. Seit 2013 entscheidet die Stiftung über Anträge auf Leistungen zur Deckung „spezifischer Bedarfe“. Im Jahr 2013 hat die Stiftung nach eigenen Angaben 600.000 Euro für Sonderbedürfnisse bewilligt und im vergangenen Jahr 2,5 Millionen. Nicht ausgegebene Mittel fließen an den Bund zurück.

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