Anmaßend und überflüssig

FAZ: „Keiner braucht die Apotheken“

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Berlin -

„Keiner braucht die Apotheken“, kommentiert die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS). Die Arzneimittelversorgung über Apotheken findet Redakteur Ralph Bollmann überholt, die Kompetenzen von Apothekerinnen und Apothekern fraglich. Er wünscht sich einen Vertrieb über Supermärkte und hält unter anderem eine Direktbelieferung über Großhändler rund um die Uhr an deutsche Haushalte für möglich.

„Es ist einfach praktischer und in der Regel auch kostengünstiger, die Tabletten gleich beim Supermarkt-Einkauf mitzunehmen“, kommentiert Bollmann. Daran, dass dm aus Tschechien Arzneimittel nach Deutschland verschicken will, sei nur der umständliche Vertriebsweg erstaunlich. In anderen EU-Staaten seien „Bagatellpillen wie Aspirin, Paracetamol oder Ibuprufen“ schon längst in Supermärkten erhältlich, „ohne dass dort Schäden für die Volksgesundheit bekannt geworden wären“.

„Eine zweifelhafte These“

Das Argument der Apotheker:innen, ihre Beratung rechtfertige höhere Preise und eingeschränkte Öffnungszeiten, nennt Bollmann „eine zweifelhafte These“. Die meisten Kund:innen wüssten, welche Mittel sie brauchten. Sie seien „bisweilen genervt, in verschnupftem Zustand ein längeres Gespräch aufgedrückt zu bekommen“.

Darüber hinaus sei die apothekenseitige Beratung für OTC-Präparate alles andere als uneigennützig. Ein „beträchtlicher Anteil“ der Medikamente bei Erkältung sei hochpreisig und von Expert:innen als „ungeeignet oder unwirksam“ eingestuft. „Aber der Rat, sich einfach mal ins Bett zu legen, lässt die Kasse halt nicht klingeln.“

Arzneimittelmissbrauch lasse sich durch die Apothekenpflicht auch nicht verhindern. „In einem Land, in dem sich an jeder größeren Kreuzung drei Niederlassungen dieser Branche befinden, lassen sich frei verkäufliche Substanzen schon jetzt in jeder beliebigen Menge shoppen“, so Bollmanns Eindruck der Apothekenlandschaft.

Beratung „nicht ernst zu nehmen“

Bollmann hält vor allem die Beratung zu Rx-Präparaten für überflüssig, da diese bereits durch die Ärztin oder den Arzt erfolge. „Die Versuche des Pharmazeuten, diese Anweisungen durch eigene Ratschläge zu ergänzen, wirken oft recht hilflos und von dem Bemühen geprägt, die eigene Existenzberechtigung unter Beweis zu stellen.“

Im schlimmsten Falle stimmen diese nicht mit der ärztlichen Meinung überein. Für Betroffene sei das nicht nur verwirrend: „Es ist auch anmaßend, wenn ein Apotheker glaubt, den Patienten in einem kurzen, noch dazu vor Publikum geführten Gespräch an der Verkaufstheke besser einschätzen zu können als ein Arzt, der ihn womöglich schon lange kennt.“

Bei der Beratung durch Apothekerinnen und Apotheker handelt es sich laut Bollmann „nicht um eine fundierte Zweitmeinung, die ernst zu nehmen wäre“.

Kleintransporter statt Apotheke

Ginge es nach Bollmann, sind Alleinstellungsmerkmale wie die Notdienste, Rezepturen oder zeitnahe Botenlieferung leicht zu enthebeln. „Das Mischen wäre leicht zu zentralisieren, teilweise geschieht das schon jetzt“, kommentiert der Autor.

Durch das deutsche Krankenkassensystem müssten Vor-Ort-Apotheken viele Rx-Medikamente bestellen. Statt die Apotheken zu beliefern, „könnten die entsprechenden Kleintransporter mit vertretbarem Mehraufwand gleich die einzelnen Haushalte ansteuern – notfalls auch nachts und am Sonntag“, findet Bollmann.

In ländlichen Gebieten werde es ohnehin bald nicht mehr anders gehen. „Die Pläne von dm & Co. wären dann nur der Anfang“, kommentiert er abschließend.

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