Apothekenschließung

Das Aus nach fast 400 Jahren

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Berlin -

Fast 400 Jahren gab es die Apotheke am Markt in Aalen, seit 130 Jahren war sie in Familienbesitz, und 25 Jahre lang war Michael Völter ihr Inhaber – doch jetzt ist es vorbei. „Es ist die Vorbeugung vor einem Burn-Out“, begründet er seine Entscheidung, die Türen für immer zu schließen. Die Offizin zu führen, rechne sich für ihn nicht mehr. Der wirtschaftliche Druck sei in den letzten Jahren immer mehr gewachsen, die Wertschätzung für Apotheker immer mehr gesunken, so Völter.

Schon 1634 wurde die Apotheke am Markt zum ersten Mal urkundlich erwähnt, 380 Jahre Bestand hat man also schriftlich. Da aber bei einem Brand zuvor viele Akten der Stadt vernichtet worden waren, ist es möglich, dass die Apotheke sogar noch früher existierte. „Seuchen, Kriege, Wirtschaftskrisen – diese Apotheke hat alles überstanden“, sagt Völter. Daraus habe er lange seinen Mut gezogen, bis es jetzt schließlich nicht mehr ging.

Völter führt die Apotheke in vierter Generation; es ist die älteste von Aalen, einer 66.000-Einwohner-Stadt in der Nähe von Schwäbisch Gmünd. Leicht ist es dem 57-Jährigen nicht gefallen, sich zu der Schließung durchzuringen. Doch der Burn-Out kündigte sich bereits an, sagt er.

Seit die Entscheidung vor gut einem Jahr gefallen ist, kann er auch wieder besser schlafen. Vor allem ist er froh, dass seine Mitarbeiter bereits neue Jobs gefunden haben: „Alle sind untergekommen“, sagt er, darauf sei er stolz. Drei Approbierte hat er beschäftigt, dazu zwei PKA und 4 PTA. Einige der Stellen wurden schon im Vorfeld abgebaut.

Seit die Lokalzeitung über die Schließung berichtet hat, werde er mit „Kondolenzbesuchen“ überhäuft, sagt Völter. Das freut ihn: „Wir werden von der Bevölkerung sehr gut wahrgenommen.“ Von anderer Seite fehlt ihm die Wertschätzung dagegen völlig. „Von der Krankenkasse bis zum Pharmahersteller piesacken einen die Partner, und die Politik ebenso“, sagt er. Auch von der ABDA höre man nichts.

„Die allgemeine Haltung ist: Ihr macht das schon irgendwie“, sagt Völter. „Das geht so nicht.“ Wirtschaftlich habe sich seit zehn Jahren nichts für Apotheker bewegt: Löhne, Inflationsrate, die Einnahmen der Kassen, alles sei gestiegen, während die Höhe des Apothekerhonorars gleich geblieben sei.

„Die Anforderungen sind immer größer geworden. Ebenso der finanzielle Druck, die Retaxationen, es rechnet sich einfach nicht mehr“, sagt er.

Jetzt will Völter alles ordentlich abwickeln, bevor er am Mittwoch die Türen seiner Apotheke für immer schließt. Bis Ende des Monats hat er noch Zeit, um den Laden zu räumen und Waren zurückzugeben oder zu vernichten.

Loben will der Apotheker seine Kammer, die ihn auf seinem Weg zur Schließung ausgesprochen gut unterstützt habe, zum Beispiel mit einem umfangreichen Masterplan. „Das war sehr hilfreich“, sagt Völter. Schließlich gebe es viel zu bedenken, Lieferverträge und Versicherungen seien zu kündigen, Gänge aufs Amt zu erledigen.

Das Geschäftshaus am Marktplatz ist schon verkauft, ins Erdgeschoss wird ein Textilgeschäft einziehen. „Wenn alles vorbei ist, will ich erst mal ein paar Wochen gar nichts machen“, sagt Völter. Wie es beruflich mit ihm weitergeht, weiß er noch nicht.

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