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Falsche Pillen, falsche Freunde, falsche Chefs

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Berlin -

In dieser Woche war nichts so, wie es schien. Vom Geschäft mit falschen Pillen soll angeblich kein echtes Geld mehr übrig sein. In Apotheken dürfen Apotheker Anweisungen geben, die gar nicht Chef sind. Und die Apothekerlobby ist so mächtig, dass sie gar nicht mehr selbst aktiv werden muss. Außerdem meldeten sich falsche Freunde und echte Apothekentester zu Wort. Ein Rückblick.

Der Absturz der FDP bei der Bundestagswahl war auch deshalb so dramatisch, weil die Liberalen ihre Stammwählerschaft nicht hinter sich bringen konnten. Auch die Apotheker hatten sich AMNOG-geschädigt abgewandt – um dann paradoxerweise die Union zu wählen. Ihren Ruf als Apothekerpartei wird die FDP trotzdem nicht los – und umgekehrt: Vom Bundesparteitag hieß es, die Wirtschaft halte den Liberalen die Treue, so etwa die Apotheken. Jetzt lobbyiert die mächtige Apothekerlobby also schon, ohne es zu merken. In Wahrheit war nur DocMorris mit dem Bus-Manifest zum Lobbyieren da.

500 Flaschen Bier trinken die Deutschen pro Jahr – wobei die Menge anderer Stimmungsaufheller umgerechnet ist. Apotheker werden in dieser Statistik nicht eigens ausgewiesen – dürften aber im Mittel (typisch und Durchschnitt) liegen: Als Teil des Dienstleistungsgewerbes sind sie eher eine Risikogruppe, die hohe Frauenquote spricht gegen einen überdurchschnittlichen Konsum in der Offizin. Klarheit könnte ein Apothekentest bringen: nach dem Interaktionscheck ins Röhrchen pusten. Professor Glaeske, übernehmen Sie!

Während der Gesundheitsökonom schon wieder bei einem Test für NDR-Markt vor die Kamera musste, hat sich Stiftung Warentest die Krankenkassen vorgeknöpft. Für Anfragen der Versicherten nicht beantworten gab es auch hier eine Abwertung.

Zuvorkommend, vor allem aber zur Qualitätssicherung haben sich Bayerns Apotheker selbst getestet. Leider gab es gerade bei der Rezeptur nicht viel Qualität zu sichern: Fast jede zehnte Apotheke hat die Anfertigung verweigert, bei vielen anderen war die Arbeit mäßig. Jetzt mag mancher Politiker fragen: Und dafür wollt ihr mehr Geld? Und die Apotheker Antworten: Nein, deswegen.

Zumindest in Bayern ist die Botschaft angekommen. Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) macht sich dafür stark, dass die Apotheker mehr Geld bekommen. Allerdings will sie das nicht aus der eigenen Tasche bezahlen. Erinnert ein wenig an die Zeit, als die Bayern von Berlin noch ein Versandhandelsverbot forderten.

Die grüne Gesundheitsministerin Barbara Steffens aus NRW hat dagegen eine Lösung für drohende Lücken in der flächendeckenden Versorgung: „Wir brauchen überall mindestens einen von beiden.“ Gemeint sind Arzt und Apotheker. Wenn sie das ernst gemeint hat, dann will mal wieder eine Grüne die Revolution. Praxen mit Generalalphabet oder Apotheker mit Rezeptblock.

Dagegen waren Biggi Benders Kettenträume ja geradezu nüchtern. Der im Herbst abgewählte Apothekerschreck feiert übrigens kommende Woche ein Comeback: Bender wird die politische Diskussionsrunde beim Kongress der Versandapotheken moderieren.

Zwei Altmedikamente verschwinden in den kommenden Wochen aus dem Generalalphabet: Pentalong in der höheren Dosierung und Cordanum. Und wenn alles so richtig schlecht läuft, gibt es ab Herbst auch kein Ambroxol mehr in der Sichtwahl. MCP war ein Klacks dagegen.

Den Platz im Warenlager können die Apotheken gut brauchen. Denn wenn mal keine Pantoprazol-Packungen beim Großhandel liegen, dann könnten sie – rät die AOK Nordost – doch 200 Packungen direkt beim Hersteller ordern. Klingt ein bisschen nach: „So mögen sie Kuchen essen.“

Neues gibt es an der Retax-Front: Der Anforderungsschein gilt bei Zytorezepturen nicht. Und der Hessische Apothekerverband genehmigt sich im Streit mit der AOK eine Kriegskasse. Derweil will der DAV den Kassen mit einer neuen Hilfstaxe entgegenkommen, um Ausschreibungen für Sterilrezepturen unattraktiv zu machen.

Zumindest bei Impfstoffen will die Regierung schon einmal eingreifen. Angesichts der öffentlichen Debatte um Lieferengpässe plant die Koalition ein Anti-Exklusivitäts-Gesetz – Rabattverträge mit mindestens zwei Herstellern. Klingt nicht so, als ob das Grundproblem verstanden wurde.

Phoenix hat für die Rückgewinnung von Marktanteilen – eine Milliarde Euro Umsatz hat Konzernchef Oliver Windholz geholt – viel Ertrag geopfert. Aber jetzt sieht man Anzeichen der Besserung. Anzeichen, die man vor allem selbst gesetzt hat. Auch Celesio hat in der Rabattschlacht die Notbremse gezogen und die Rabatte der gekürzt. Jetzt ist man in Stuttgart zuversichtlich: „Ab dem zweiten Halbjahr rechnet der Vorstand mit einer schrittweisen Abkühlung des intensiven Rabattwettbewerbs in Deutschland.“ Da der Markt über eine Zentralheizung verfügt, ist diese Erwartungshaltung wohl begründet.

Um weniger abhängig von den Rabatten der Großhändler zu sein, fordern die Apotheker eine Erhöhung ihrer Honorare: Den kompletten Wunschzettel hat DAV-Chef Fritz Becker vergangene Woche verlesen. Und sie wollen nicht einfach nur mehr Geld: Relativ offen zeigt sich die Politik in Gesprächen über das Medikationsmanagement.

Doch bevor zusätzliche Leistungen zusätzlich honoriert werden, soll der kleine ARMIN mit einem ersten Zeugnis nach Hause kommen. So schön das Projekt ist, Spahn & Co. können damit auch ein bisschen auf Zeit spielen.

Doch selbst wenn die Apotheker am Ende wieder acht Jahre auf eine Honoraranpassung warten müssten, wäre das nichts im Vergleich zu einer Apothekenangestellten in Österreich. Die hat 17 Jahre lang zu wenig Geld bekommen. Und keiner hat’s gemerkt. Bei solchen Verhältnissen wundert es schon, dass es relativ viele Apotheker aus Deutschland in die Alpen zieht. Zumal man hierzulande neuerdings auch Pseudo-Chefin in einer fremden Apotheke werden kann.

Nicht einmal mehr das letzte Hemd haben die Medizinstudenten, die mit einem Aktkalender auf die Missstände an ihrer Uni aufmerksam machen wollen. Die Apotheker sind noch nicht wieder so weit, dass sie blank ziehen. Muss aber auch nicht sein. Lieber vorher in den Weinkisten nachschauen, ob sich noch ein paar Kröten finden.

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