Kommentar

Wer oder wen boykottiert Gehe?

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Berlin -

Mit Boykottvorwürfen ist man bei Gehe bekanntermaßen schnell bei der Hand. Aktuell sieht der Stuttgarter Großhändler in seinen Konditionenverhandlungen mit Novartis den „kartellrechtsrelevanten Tatbestand der Diskriminierung“ als erfüllt an. Man werde massiv daran gehindert, seinem gesetzlichen Versorgungsauftrag nachzukommen, heißt es aus Stuttgart. Man beliefere Gehe – aber nur zu den gültigen Zahlungsbedingungen, kontert Novartis.

Die Gefechtslage ist schnell erklärt: Seit Monaten rangelt Novartis mit den Großhändlern um die Lieferkonditionen. Jetzt hat der Pharmakonzern beim Skonto die 1 vor dem Komma gestrichen, Gehe pocht auf die alten Konditionen, Novartis liefert nicht mehr. „Normalerweise ist es üblich, dass während der Verhandlungen die alten Vereinbarungen weiter laufen“, moniert Celesio-Chef Markus Pinger.


Bei Gehe ist man deutlich aufgeregter, spricht von einer „Gefährdung des Versorgungsauftrags“ und droht mit „rechtlichen Schritten gegen alle Diskriminierungsversuche“. Lässt man das Bohei um den vermeintlichen Boykott außen vor, mag die Sichtweise des Großhändlers inhaltlich nachvollziehbar sein: Wenn nach Rabattverträglern wie Dexcel jetzt ein Konzern wie Novartis mit einer massiven Skontokürzung durchkommt, fürchtet man in der Branche einen Dammbruch.


Neu ist das alles nicht: Als vor einem Jahr Novo Nordisk das Skonto zusammenstrich, liefen die Großhändler schon einmal Sturm. Versorgungsauftrag hin oder her, die meisten sogenannten Vollversorger weigerten sich, die neuen Bedingungen zu akzeptieren. Der Hersteller führte Aufträge auf Basis der alten Konditionen nicht aus; einige Wochen lang mussten die Apotheken direkt beim Hersteller bestellen. Dann einigte man sich, und alles ging wieder seinen geregelten Gang.


Diesmal versucht Gehe, die Apotheken hinter sich zu scharen, wenn es in die Schlacht gegen den Milliardenkonzern geht. Schließlich nutze der seine Marktmacht aus, um auf dem Rücken der gesamten Wertschöpfungskette seine Unternehmensziele durchzusetzen. Irgendwie geht in der Debatte unter, dass der Großhändler zuletzt selbst einseitig seine Lieferkonditionen gekürzt hatte: 0,5 Prozent „AMNOG-Ausgleich“ kassiert Gehe seit September – übrigens zeit- und wertgleich mit Phoenix, soviel zur Kartellrechtsrelevanz.


Die Apotheker werden in der politischen Diskussion um die Kürzung ihrer Rabatte vom Großhandel immer auf ihre eigene Marge verwiesen. In eigener Sache sind 1,5 Prozent Skonto plötzlich Teil des Versorgungsanspruchs.

 

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