„Premium-Lieferung“

Urteil: Plattformen dürfen Apothekenwahl einschränken

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Berlin -

Verschreibungspflichtige Medikamente – ohne persönlichen Arztkontakt und direkt nach Hause geliefert: Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main hat bereits in mehreren Fällen zugunsten von solchen Plattformen entschieden. Jetzt macht es den Weg frei für die Einschränkung der freien Apothekenwahl.

Bei DoktorABC können sich Verbraucherinnen und Verbraucher nach Ausfüllen eines Fragebogens ziemlich unkontrolliert Rezepte ausstellen lassen, unter anderem für Potenzmittel, aber auch für medizinisches Cannabis. Mehr noch: Wer sich den Weg zur Apotheke sparen will, kann sich die verschreibungspflichtigen Medikamente direkt nach Hause liefern lassen.

Bei diesem „Premium-Lieferservice“ übernimmt die Plattform die „automatische Apothekenauswahl“: „Wenn die Ärzte zustimmen, stellen wir ein Rezept aus und senden es an unsere Partnerapotheke, abhängig von deren Lagerbestand. Sie erklären sich damit einverstanden, dass wir Ihre Bestellung einlösen und das Medikament von der Apotheke an Ihre Adresse liefern.“

Als zweite Option wird zwar auch die Abholung in einer Apotheke genannt aus; in diesem Fall wird das Rezept dorthin geschickt. „Wenn die Apotheke die Bestellung annimmt, erhalten Sie eine Bestätigungs-E-Mail. Danach müssen Sie sich direkt mit der Apotheke in Verbindung setzen, um Ihre Medikamente zu bezahlen und sich nach Abhol- oder Lieferoptionen zu erkundigen.“

Aber: Mit der freien Apothekenwahl könnte es dabei nicht mehr allzu weit her sein, zumal die Lieferung deutlich prominenter beworben wird. Obendrein scheint auch noch der Kreis der Apotheken, unter denen man die Abholung auswählen kann, eingeschränkt zu sein.

BGH gegen Zuweisung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte die aus seiner Sicht allzu enge Zusammenarbeit von Zava und Shop Apotheke als Verstoß gegen das Zuweisungsverbot bereits vor zwei Jahren für unzulässig erklärt. Auch DoktorABC beziehungsweise der Betreibergesellschaft Sky Marketing mit Sitz in London hatte das LG Hamburg im November bereits untersagt, „in Deutschland bestimmten Apotheken unmittelbar Verschreibungen zuzuweisen“.

Doch das LG Frankfurt kommt jetzt in einem Eilverfahren zu einem anderen Ergebnis. Geklagt hatte ein anderer Cannabisversender, der Anfang März drei Testbestellungen bei DoktorABC durchgeführt hatte. Bei einem dieser Testkäufe erhielt der Testkäufer nach Auswahl des Premium-Lieferservices die Ware von der Herz-Apotheke in Berlin zugeschickt, neben Shop Apotheke und Super Apotheke aus den Niederlanden eine der drei Partnerapotheken.

Keine Rechnung von Apotheke

Die Apotheke war als Versender auf dem Paket erkennbar; eine Rechnung war der Lieferung aber demnach nicht beigefügt. Vor Erhalt des Medikaments hatte der Testkäufer nach eigenen Angaben überhaupt keine Kenntnis davon, welche Apotheke seinen Auftrag ausführen würde. Er zahlte lediglich den geschuldeten Betrag für das Rezept, die Medikamente und deren Lieferung an DoktorABC. Auch bei einer anderen Lieferung gab es keine Rechnung; diesmal erklärte der niederländische Versender, dass man auf Anweisung von DoktorABC keine Rechnung ausstellen dürfe, sondern dass diese bei der Plattform angefordert werden müsse.

Tatsächlich wurde vor Gericht ein Auszug aus dem Partnervertrag vorgelegt, nach dem Sky Marketing alle notwendigen Rechnungen direkt an die Patienten ausstellt. „Die Apotheke ist nicht verpflichtet, dem Patienten eine Rechnung auszustellen, da diese nur die Teilkosten für die Medikamente ohne den Arztbesuch widerspiegeln würde. Zur Klarstellung: Das Risiko des Zahlungsausfalls und der Uneinbringlichkeit von Forderungen trägt allein Sky Marketing.“

Keine freie Apothekenwahl

Vor diesem Hintergrund sah der Wettbewerber einen Verstoß gegen das Zuweisungsverbot nach § 11 Abs. 1 Apothekengesetz (ApoG). Die automatische Apothekenauswahl werde ohne vorherige Beteiligung des Verbrauchers umgesetzt. DoktorABC bestimme selbstständig, welche Apotheke die jeweilige Verschreibung ausführen solle und weise damit seinen Partnerapotheken regelmäßig direkt Verschreibungen in elektronischer Form in nicht unerheblichem Umfang zu. Hierin bestehe eine unzulässige Absprache, bei der die Plattform als Dritter dem Adressatenkreis der gesetzlichen Regelung zuzurechnen sei.

Unerheblich für die Bewertung sei, dass auch die Abholung bei anderen Apotheken angeboten werde, da der „Premium-Lieferservice“ technisch voreingestellt sei und bevorzugt werde und es bestimmte Rabatte nicht angeboten würden. Sky Marketing werbe an anderer Stelle gegenüber Apotheken sogar mit der direkten Zuweisung und der somit realisierbaren Umsatzsteigerung.

Mit dem Marktplatz von DocMorris, den der BGH zuletzt für zulässig erklärt hatte, lasse sich das Konstrukt nicht vergleichen, da hier gerade keine am Marktplatz teilnehmenden Apotheken zur Auswahl gestellt würden, sondern über die Vergabe des Auftrags selbstständig und ohne Beteiligung des Verbrauchers entschieden werde.

Patient verzichtet freiwillig

Das LG Frankfurt sieht es anders. Demnach liegt „keine Absprache vor, die eine (unzulässige) Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand hat“. Denn: „Am Merkmal der Zuweisung kann es dann fehlen, wenn der Arzt dem Patienten vor der Anwendung eines Applikationsarzneimittels hierzu neutral verschiedene Auswahlmöglichkeiten an die Hand gibt, etwa in Form der Aushändigung des Rezepts an den Patienten oder in Form der Beauftragung des Arztes mit der Einlösung in einer vom Patienten bestimmten Apotheke oder in einer vom Arzt selbst ausgewählten Apotheke, und der Patient sich dann für die zuletzt genannte Möglichkeit entscheidet.“

Dadurch, dass dem Patienten die Auswahl zwischen Lieferung und Abholung angeboten werde, er im Rahmen der letzteren Option eine bestimmte Apotheke auswählen könne und er ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass ansonsten automatisch eine Apotheke für ihn ausgewählt werde, wird laut LG „insgesamt das Recht des Patienten auf freie Apothekenwahl nicht in unzulässiger Weise beschränkt“.

Denn der Patient habe sein Wahlrecht bereits vorab durch Auswahl des Premium-Services dahingehend ausgeübt, dass er der Plattform die Auswahl der konkreten Apotheke überlasse. „Die Auswahl der konkreten Apotheke wird somit nicht ohne jegliche Einflussnahme des Patienten auf dem Weg von der ärztlichen Verschreibung bis zum Erhalt des Medikaments von der Apotheke getroffen.“

Restauswahl bleibt

Von den drei Optionen – Auswahl einer Apotheke und Abholung oder Lieferung im Wege des Versands beziehungsweise Lieferung durch die von der Plattform ausgewählten Apotheke – bleibe dem Kunden im Rahmen der beiden ersten Optionen die Auswahl der konkreten Apotheke überlassen. „Der Umstand, dass die Plattform dem Patienten – neben anderen Optionen der direkten Apothekenauswahl – die Möglichkeit gibt, die Auswahl einer konkreten Apotheke auf die Plattform zu übertragen, ist jedoch nicht unzulässig“, so das Gericht mit Verweis auf ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2016, in dem es um die Empfehlung von Apotheken auf Wunsch des Patienten ging.

Dass der Premium-Service prominenter beworben werde, führe noch nicht dazu, dass dem Patienten seine nach § 11 Abs. 1 ApoG geschützte Apothekenauswahlfreiheit genommen werde. Denn die Möglichkeit der Abholung werde nicht verschleiert, sondern bereits zu Beginn des Bestellvorgangs gut sichtbar angeboten. Bei der Auswahl der Versandoptionen werde nochmals ausdrücklich erläutert, dass beim Premium-Service eine automatische Apothekenauswahl erfolge, beim Standardservice hingegen nicht. „Durch diese Gestaltung des Bestellprozesses wird die Apothekenwahlfreiheit nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt.“

Und dass nur solche Apotheken angezeigt werden, die mit der Plattform kooperieren, sei auch keine Einschränkung der Wahlfreiheit: „Denn der Patient, dem bewusst ist, dass nicht sämtliche Apotheken in Deutschland, in der EU und im EWR an einer deutschen Plattform wie der von Sky Marketing teilnehmen, hat durch den Aufruf der Plattform sein Wahlrecht bereits eigenverantwortlich auf Apotheken konkretisiert, die diesen Kommunikationskanal nutzen.“

Absprache ohne Vorteil?

Die Unabhängigkeit der beteiligten Apotheken werde wiederum nicht in der Form beeinträchtigt, dass diese sich bei der Teilnahme an der Plattform von sachfremden oder finanziellen Erwägungen leiten ließen. „Die Teilnahme an einer derartigen Plattform wie im Streitfall ist nicht generell unzulässig. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich und wurde von der Klägerin auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Beklagte einen finanziellen Vorteil durch die Absprache erlangt, die ihn in unzulässiger Weise gegenüber anderen Apotheken bevorzugen würde.“

Aus den Transaktionszahlen, die aus Bewertungen auf einer Bewertungsplattform hergeleitet wurden, lässt sich laut Gericht schließlich kein Rückschluss auf eine etwaige Gefährdung der wohnortnahen Versorgung ziehen.

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