Kommentar

Ein unsittliches Angebot

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Berlin -

Das Jahr 2012 war für die Europa Apotheek Venlo (EAV) sicher nicht das erfreulichste der Firmengeschichte. Der Bayerische Apothekerverband (BAV) klagte wegen der Rx-Boni Ordnungsgelder in sechsstelliger Höhe ein, und die obersten Bundesrichter und der Gesetzgeber nahmen die Holland-Versender an die Leine. Im Dezember machte sich der US-Investor vom Acker, und zum Jahreswechsel wurde die EAV auch noch als Pick-up-Partner der Drogeriekette dm durch „Zur Rose“ ersetzt. Irgendwann waren es vielleicht der Tiefschläge zu viele.

Als die Sache mit den Rx-Boni beim Gemeinsamen Senat nicht so richtig vorankam, riss dem BAV der Geduldsfaden: Der Verband hinterlegte 50.000 Euro beim OLG München und ließ ein nicht rechtskräftiges Urteil gegen das Bonus-Modell der EAV vorläufig vollstrecken. Nicht gerade die feine englische Art, aber rechtlich zulässig.

Die Versandapotheke stellte auf stur – und wurde zur Kasse gebeten. Erst als die Ordnungsgelder richtig schmerzhaft wurden, stutzte die EAV ihr Bonus-Modell auf ein wettbewerbsrechtlich zulässiges Maß.

Als Opferlamm wollte man sich in Venlo aber nicht fühlen: Mit einer Serie ausgebuffter Testkäufe wurden die Apotheken der Apothekerfunktionäre im Freistaat überzogen, eine Abmahnwelle folgte.

Aus aktuellen Urteilen zu den Testkäufen geht hervor, dass es der Versandapotheke nicht nur um kalte Rache geht: Die EAV hat dem BAV vorgeschlagen, dass beide ihre Ansprüche fallen lassen. Vergleichsangebot heißt das juristisch, andere sagen Erpressung.

Es ist nicht das erste Mal, dass mit Testkäufen Politik gemacht wird. Im November 2008 gab es ebenfalls gezielt Testkäufe in Funktionärsapotheken, über deren Ergebnisse der damalige Celesio-Kettenvorstand Stefan Meister sich mit ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf unterhalten wollte. Die Schweizer Kanzlei Bratschi Wiederkehr & Buob hatte sogar Bundestagsabgeordnete über die Tests in Kenntnis gesetzt.

Ob das EAV-Management nur sein Mütchen kühlen will oder finanzielle Notwendigkeiten hinter dem Vorgehen stehen, ist offen: Die Versandapotheke will das Thema verständlicherweise nicht in die Öffentlichkeit bringen.

Dass auch der BAV zugeknöpft reagiert, mag mit dem teilweise unglücklichen Abschneiden der Funktionäre in den Tests zu tun haben. Denn ungeachtet der politischen Schlammschlacht: Es gibt keinen Grund, eine komplette Schachtel der Pille ohne Rezept abzugeben.

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