Testkäufe

Anwälte auf Apothekenjagd

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Berlin -

Apothekentests dienen der Qualitätskontrolle, haben nicht selten aber auch politische Sprengkraft. Eine aktuelle „Studie“ scheint vor allem den zweiten Aspekt bedienen zu wollen: Unbekannte Testkäufer haben Ende vergangenen Jahres für einen unbekannten Auftraggeber in 20 Apotheken getestet, ob verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept abgegeben werden. Besucht wurden offenbar ausschließlich Apotheken, deren Inhaber bei ABDA beziehungsweise Landesapothekerkammern und -verbänden tätig sind.

Nachdem die Untersuchung bereits gezielt im politischen Berlin gestreut wurde, beschuldigte jetzt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) die Apotheker in einem Beitrag, es bei der Verschreibungspflicht nicht so genau zu nehmen. Die Zeitung zitiert aus der nicht veröffentlichten „Studie“, ohne allerdings Autoren oder Auftraggeber zu nennen. Dies war auch auf Nachfrage in der Redaktion nicht zu erfahren.

Fest steht: Bereits im November hatte die schweizerische Kanzlei Bratschi Wiederkehr & Buob mehrere Bundestagsabgeordnete unter dem Titel „Funktionärsapotheken schlechter als Versandapotheken“ angeschrieben. Auch dem Bundesgesundheitsministerium sowie Journalisten wurden die Ergebnisse angeboten. Laut Unterzeichner Dr. Peter Bratschi hatten Klienten der Kanzlei „im Zusammenhang mit gewissen Praktiken, welche von vereinzelten deutschen Apotheken befolgt werden“ bundesweit Testkäufe durchgeführt.

Bratschi berichtete den Abgeordneten: In mehr als 60 Prozent der Fälle sei in Präsenzapotheken ein Medikament illegalerweise abgegeben worden, bei den ebenfalls getesteten Versandapotheken lediglich in 8 Prozent der Fälle. Bratschi ließ in seinem Schreiben die Hintermänner der Studie im Dunkeln; dafür werden fünf „Funktionärsapotheken“ mit den entsprechenden Resultaten namentlich genannt.

Die „rechtserheblich dokumentierten Ergebnisse der Testkäufe entbehren aus unserer Sicht nicht einer gewissen politischen Brisanz“, so Bratschi. „Vor dem Hintergrunde, dass Apothekerfunktionäre für die Präsenzapotheken in der Öffentlichkeit beanspruchen, die Garanten der Arzneimittel- und Patientensicherheit zu sein, und diesen Anspruch mit zahlreichen Publikumswarnungen vor Versandapotheken untermauern, erscheint aus der Sicht unserer Klienten folgendes Ergebnis der Testkäufe als besonders bemerkenswert.“

Bratschi endet in seinem Schreiben mit den Worten: „Unsere Klientschaft hat uns autorisiert, die beigefügte Dokumentation auch der Presse zur Verfügung zu stellen.“ Das war einmal. Auf Anfrage von APOTHEKE ADHOC erklärte Bratschi nach Rücksprache mit seinen Klienten, „dass wir nicht mehr über die von Ihnen gewünschte Studie über getroffene Erhebungen bei deutschen Apotheken verfügen können“.

Auch für Fragen zur Methodik, zu den detaillierten Ergebnissen oder zu den Hintergründen und Auftraggebern der Studie stand Bratschi nicht zur Verfügung. Die FAZ lässt einen Sprecher von Celesio Gerüchte dementieren, denen zufolge der Pharmahändler die Studie lanciert haben soll: „Nein, das ist völliger Blödsinn“, zitiert die FAZ den Konzernsprecher. „Bei Funktionären liegen Anspruch und Wirklichkeit offenbar weit auseinander.“

Gegenüber APOTHEKE ADHOC wollte Celesio sich nicht zu dem Thema äußern. Dabei soll Celesio-Vorstand Stefan Meister bereits Ende vergangenen Jahres in einem Brief an die ABDA-Spitze auf die Ergebnisse der Untersuchung Bezug genommen haben. Die ABDA will sich zu der Studie ebenfalls nicht äußern. Auch bei Kammern und Verbänden hüllt man sich derzeit in Schweigen.

Die Testergebnisse muss man der FAZ entnehmen: Die Apotheken hatten laut Bericht in vier Szenarien verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept abgegeben, nachdem sie von Testkäufern verschiedene Krankengeschichten aufgetischt bekommen hatten. Fünf der 20 getesteten Apotheken händigten Riopan (sic!) und Omeprazol ohne Verschreibung aus, beim Schilddrüsenpräparat (L-Thyroxin) waren es 14, bei Kontrazeptiva zwölf. Alle Apotheken bedienten der FAZ zufolge Penicillin-Rezepte aus der Türkei, obwohl das nach deutschem Recht nicht erlaubt ist.

Bereits hier lauert ein Widerspruch: Anders als in der FAZ war in der Anlage zu Bratschis Schreiben nicht von einem Magenmittel, sondern von Voltaren dispers die Rede. Diese Feinheit könnten nur die Autoren erklären, doch da diese schweigen, bleibt auch die genaue Methodik unklar. Offen bleibt daher auch, wie die Notfallsituationen bei den Versandapotheken inszeniert wurden.

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