Sonderprüfung und Gesetzesverschärfung

BaFin und BMF gehen Rechenzentren an

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Berlin -

Die AvP-Pleite hat nicht nur die Apotheken – zumal die direkt betroffenen – schockiert, sondern auch die Bankenaufsicht BaFin aufgeschreckt. Die Behörde will die Rechenzentren genauer in den Blick nehmen und startet eine „Sonderprüfungskampagne“, wie ein BaFin-Sprecher gegenüber APOTHEKE ADHOC bestätigte. Allerdings sind davon längst nicht alle Apothekenrechenzentren betroffen. Parallel rückt aber der Gesetzgeber mit einer Verschärfung der gesamten Branche auf die Pelle.

Ein Sprecher der BaFin bestätigte, dass es eine Sonderprüfungskampagne für Factoring-Unternehmen im Gesundheitswesen geben werde. Welche Unternehmen aus der Apothekenbranche konkret betroffen sind, macht die Behörde nicht bekannt. Die BaFin will dem Sprecher zufolge das „Rechnungswesen“ sowie die „ordnungsgemäße Geschäftsorganisation“ unter die Lupe nehmen. Zuerst hatte das Handelsblatt über die anstehende Kampagne berichtet. Die BaFin geht „Hinweisen auf mögliche Mängel vor allem bei Abrechnungsstellen“ nach.

Diese Prüfkampagne werde aktuell geplant, erste Prüfungsergebnisse sollen noch in diesem Jahr ausgewertet werden, so der BaFin-Sprecher. Die Untersuchungen werden nicht nur von eigenen Mitarbeitern der BaFin durchgeführt, sondern auch von beauftragten Wirtschaftsprüfern mit Spezialwissen im medizinischen Abrechnugswesen.

Unter den Apothekenrechenzentren dürften von der Kampagne allenfalls Noventi und Dr. Güldener betroffen sein. Denn nur sie verfügen über eine Factoringerlaubnis oder Teilbanklizenz der BaFin. Die anderen Rechenzentren arbeiten mit einer Freistellung nach dem Kreditwesengesetz (KWG) – und werden entsprechend auch nicht von er BaFin kontrolliert. „Wir können nur die prüfen, die unserer Aufsicht unterliegen“, bestätigte der BaFin-Sprecher.

Markus Kinkel, Geschäftsführer bei Dr. Güldener, findet es bedauerlich, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. „Es wäre konsequent und fair, wenn diese Freistellungen zurückgenommen und alle Anbieter der gleichen Kontrolle unterliegen würden.“ Wegen der angekündigten Prüfung macht man sich bei Dr. Güldener aber überhaupt keine Sorgen. Man sei ohnehin in ständigem Austausch mit der BaFin, so Kinkel. Die Behörde fordere ständig Zahlen des Rechenzentrums an, außerdem gebe jährliche Gespräche. Es sei aber auch nicht davon auszugehen, dass es bei den Rechenzentren mit Freistellung Probleme gebe, betont Kinkel. AvP sei ein Sonderfall mit eindeutig kriminellem Verhalten Einzelner gewesen.

In der Branche wird daher eher darüber gestaunt, wie lange die BaFin bei den eigentlich bekannten Missständen weggesehen habe. Vielleicht erklärt sich daraus die als Aktionismus wahrgenommen Sonderprüfkampagne. Die davon betroffenen Rechenzentren würden ohnehin schon kontrolliert, die anderen blieben weiterhin außen vor. Doch bei der Bonner Behörde hat man nach dem AvP-Skandal und dem sehr viel größeren Wirecard-Skandal offenbar das Gefühl, einiges wieder gutmachen zu müssen.

Was die Ungleichbehandlung der Rechenzentren betrifft, könnte diese bald vom Gesetzgeber aufgehoben werden: „Die Freistellungsmöglichkeit von der Einrichtung einer Risikocontrolling- und Compliancefunktion wird gestrichen. Die mit dem Gesetz zur Anpassung von Gesetzen auf dem Gebiet des Finanzmarktes 2014 eingeführte mögliche Erleichterung für Leasing- und Factoringinstitute hat sich nicht bewährt“, heißt es im Entwurf des Schwarmfinanzierung-Begleitgesetzes aus dem Bundesfinanzministerium.

In dem Gesetzesvorhaben geht es eigentlich – wie der Name schon sagt – darum, Methode des Crowfunding bei der Geldbeschaffung besser zu kontrollieren und Verstöße sanktionieren zu können. Doch im Entwurf ist auch eine Stärkung der Factoring- und Leasingaufsicht vorgesehen – und zwar explizit mit Verweis auf den Fall AvP. So sollen Regelungen, die unter anderem für Kreditinstitute gelten, auch für Factoringinstitute angewendet werden, namentlich ein Vier-Augen-Prinzip, also mindestens zwei Geschäftsleiter sowie eine „Erweiterung des aufsichtlichen Instrumentenkastens zur Gefahrenabwehr“. „Ziel der Vorschläge ist die Stärkung der Factoringaufsicht, um Schadensfälle wie bei AvP zukünftig früher zu erkennen und Gefahren besser abzuwehren“, schreibt das Bundesfinanzministerium.

Mit dem Gesetz soll auch die BaFin gestärkt werden. Der Aufsicht sei es derzeit nicht möglich, aus allen Gefahrenabwehrmaßnahmen des KWG im Rahmen der Leasing- und Factoringaufsicht zu schöpfen, heißt es zur Begründung. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese zusätzlichen Gefahrenabwehrmaßnahmen aber auch bei nicht unter Solvenzaufsicht befindlichen Instituten in bestimmten Situationen sinnvoll sein und dabei helfen können, die Gläubiger wirksamer vor schädlichen Mittelabflüssen zu schützen.“

Die aktuelle Freistellung der Apothekenrechenzentren ist ohnehin fraglich. Immerhin macht das Kreditgeschäft, im Vergleich zu den historisch niedrigen Abrechnungsgebühren, einen nicht unerheblichen Anteil an den Erträgen der Anbieter aus. Das KWG sieht die Freistellung aber nur für Nebengeschäfte vor. Den Rechenzentren stehen also spannende Monate bevor, zumal ihr Geschäftsmodell mit der Einführung des E-Rezepts ohnehin vor einem Umbruch steht.

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