Erst der Testkauf, dann die Abmahnung: Apotheker Dr. Hermann Vogel jr. aus München hat mehrere Inhaber:innen von Versandapotheken wegen Datenschutzverletzungen beim Angebot von OTC-Präparaten über Amazon angegriffen. Die Abgabefrist der Unterlassungserklärung läuft ab und mehrere knicken ein – andere wiederum verkaufen weiterhin Aspirin & Co. und freuen sich über die zusätzlichen Umsätze.
Bei Sanicare entschied man sich nach der Abmahnung ganz klar für einen Stopp des Verkaufs von OTC-Arzneimitteln über Amazon, auch wegen des hohen drohenden Ordnungsgeldes von 250.000 Euro. Der Versender aus Bad Laer ist über die Marke Homoeopathiefuchs gelistet. Die auf der Plattform erzielten Umsätze liegen im zweistelligen Millionen-Bereich, wie Marcus Diekmann, Chief Strategy, Digital & eCommerce Officer, sagt. „Das aktuelle BGH-Urteil zwingt uns, den Verkauf rezeptfreier Medikamente über Amazon ab sofort einzustellen. Und ja: Das ist nicht nur nicht zeitgemäß, macht auch aus Kundensicht überhaupt keinen Sinn – sondern ist dazu auch noch für uns tatsächlich absolut geschäftsgefährdend.“
Homoeopathiefuchs gehört laut einer Erhebung von Smile AI zur Top-20 der Händler, die Marken im OTC-Bereich auf Amazon vertreiben. Das Unternehmen analysiert für das „Amazon Umsatzpanel“ die Produktdetailseiten und die unter anderem von Amazon kommunizierten Absätze je Produkt. „In Zukunft werden wir 30 bis 40 Prozent aller Umsätze online haben“, ist sich Diekmann sicher. Wichtig sei, dass man jetzt zusammenstehe; er befinde sich im Austausch mit den Amazon-Anwälten. „Wichtig ist dabei: Amazon hat nichts Falsches gemacht.“ In drei bis fünf Monaten sollte ein entsprechendes Tool eingeführt sein, um die OTC-Verkäufe datenschutzkonform zu gewährleisten.
Andere Versandapotheken pokern offenbar und treten Vogel entgegen. Apodiscounter etwa ist laut der Smile AI-Erhebung der größte OTC-Händler auf Amazon und nach wie vor auf dem Marketplace aktiv. „Wir prüfen die Sachlage derzeit rechtlich und bitten Sie um Verständnis, dass wir zu diesem Zeitpunkt noch keine abschließende Aussage treffen können“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Die Marke gehört zur niederländischen Gruppe Apo.com, genau wie Apotheke-Online. Bei Amazon verweisen beide Anbieter im Bestellvorgang auf die „datenschutzrechtliche Einwilligung in die Verarbeitung von Gesundheitsdaten“. Ob Richter nach der Entscheidung aus Karlsruhe damit zufrieden wären, ist allerdings fraglich.
Auch weitere niederländische Versender sind noch immer bei Amazon mit OTC-Produkten präsent: Esando (DocMorris) vertreibt weiterhin apothekenpflichtige Arzneimittel und liegt laut der Smile-Erhebung auf Platz 2 der OTC-Versender auf Amazon. Die nächste Apotheke dahinter ist Aponeo aus Berlin, die ebenfalls weiterhin beim Marketplace mitmischt. In der Top-10 befindet sich mit dem Anbieter Apohealth der deutsche Apotheker Michael Grintz aus München, der auf Amazon auch mit den Marken wie Apominga und Bienen-Apotheke präsent ist.
Mit der Bodfeld-Apotheke schließt die Top-10. Der Versender der gleichnamigen Vor-Ort-Apotheke in Blankenburg von Holger Neubert ist ebenfalls weiterhin mit OTC-Produkten beim US-Konzern gelistet – gegen ihn war Vogel vor Gericht vorgegangen.
Dahinter rangiert die Schiller-Apotheke von Dr. Till Ossenkop in Iserlohn. Der Anbieter verweist auf seiner Amazon-Händlerseite ebenfalls auf den Datenschutz: „Mit der Kaufbestätigung willigen Sie in die Verarbeitung Ihrer personenbezogenen Daten (inklusive Gesundheitsdaten, die nach Art. 9 der EU-Datenschutz-Grundverordnung rechtlich besonders geschützt sind) durch Amazon und die Schiller-Apotheke ein.“
Weitere deutsche Vor-Ort-Apotheken in den Top-20 bei Amazon sind die Schongau-apo.de (Marien Apotheke von Klaus Flitsch in Schongau), die FAAR OnlineApotheke (Faehrhaus-Apotheke von Ramin Gharaee in Hamburg) oder CuraVendi (Römer Apotheke OHG Neuhoff & Krug in Rheinberg), die ebenfalls den OTC-Verkauf gestoppt hat.