Interview Tobias Zimmermann (AEP)

„Es gibt keine Rechtfertigung für Intransparenz“

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Berlin -

Ein Rabatt für alle: Mit diesem Versprechen ist AEP direkt im Herbst angetreten. Einer der Köpfe hinter dem Modell ist Tobias Zimmermann von der Berliner Unternehmensberatung Lexington. Der 36-jährige Betriebswirt kommt aus einer Apothekerfamilie und hat kürzlich seinen bisherigen Job an den Nagel gehängt, um bei AEP den Bereich Kundenbetreuung zu übernehmen. Im Interview erklärt er, warum Großhandelsrechnungen intransparent sind und wo Apotheker genau hinsehen sollten.

ADHOC: Worauf müssen Apotheker bei den Großhandelsrechnungen achten?
ZIMMERMANN: Eigentlich sind Konditionen einfach, nämlich das Ergebnis aus versprochenem Abzug und Einkaufssumme. Im Prinzip geht es also darum, anhand der Rechnung herauszuarbeiten, wie viel Umsatz die Apotheke mit ihrem Lieferanten gemacht hat und ob die vereinbarte Kondition korrekt in Abzug gebracht wurde. Dabei müssen alle Gebühren für Dienstleistungen berücksichtigt werden.

ADHOC: Ist das Muster überall dasselbe?
ZIMMERMANN: Die Logik ist dieselbe, es gibt aber keine einheitlichen Rechnungen. Die Belege variieren von Anbieter zu Anbieter und sogar von Niederlassung zu Niederlassung. Außerdem spielen individuelle Vereinbarungen eine Rolle und die Frage, ob die Apotheke beispielsweise ihre Kritik vorgetragen und Änderungen durchgesetzt hat.

ADHOC: An welchen Stellen wird getrickst?
ZIMMERMANN: Es steht mir nicht zu, zu sagen, da wird getrickst. Ich kenne die Vereinbarungen zwischen Apotheke und Lieferant im Einzelfall nicht. Großhandelsrechnungen sind komplex. Mit Auflistung der Lieferscheine kommt man schnell auf 20 Seiten. Aber teilweise wird auch versucht, eine möglichst große Zahl in den Köpfen zu platzieren und dann möglichst wenig zu geben.

ADHOC: Anders gefragt: Wo sollten Apotheker genau hinsehen?
ZIMMERMANN: Es ist nicht immer einfach und manchmal sogar unmöglich festzustellen, für welchen Gesamtwert die Apotheke in den einzelnen Produktbereichen, wie Rx oder Nicht-Rx, überhaupt eingekauft hat. Denn oft wird nicht der Listenpreis ausgewiesen, sondern bereits der rabattierte Preis. Daneben steht der Rabatt noch einmal als absolute Zahl. Viele Inhaber kennen also schon die Basis gar nicht, auf der ihre Rabatte berechnet werden. Dadurch kommen sie immer auf einen zu hohen prozentualen Rabatt.

ADHOC: Das könnte man ja nachrechnen...
ZIMMERMANN: Unübersichtlich wird es durch Rabattausschlüsse für Teilsortimente. Bei besonderen Produktgruppen sind die Großhändler teilweise sehr freihändig unterwegs. Hier gibt es je nach Segment eigene Konditionen, die auch noch von Monat zu Monat variieren können. Anhand der Angebotslisten wiederum sehe ich zwar schon auf dem Bildschirm, welchen Preis ich tatsächlich bezahlen muss. In welchem Umfang Artikel aber in dieser Liste auftauchen, ist für den Apotheker kaum ersichtlich.

ADHOC: Was ist mit Gebühren?
ZIMMERMANN: An Gebühren für bestimmte Leistungen ist grundsätzlich nichts auszusetzen, wenn sie so vereinbart sind. Problematisch ist, dass sie nicht immer auf dem Übersichtsblatt ausgewiesen werden, sondern bei den Warenbezügen, also der Auflistung der Lieferscheine. Das ist nicht sofort verständlich und erschwert natürlich die sachlich richtige Zuordnung bei der Berechnung der Konditionen. Unter dem Strich zählt, was die Apotheke für die Warenlieferung bezahlt hat. Dazu gehören neben Rabatten eben auch Gebühren.

ADHOC: Gibt es solche Probleme auch in anderen Branchen?
ZIMMERMANN: Das Phänomen unübersichtlicher Rechnungen ist ganz sicher besonders typisch für die Apothekenbranche. Ich kenne auch keinen betriebswirtschaftlichen Grund, der eine solche Intransparenz bei der Berechnung der Konditionen rechtfertigt.

ADHOC: Wieso lassen sich Apotheken dann darauf ein?
ZIMMERMANN: Es gibt 17.000 selbstständige Apotheker, also theoretisch auch 17.000 individuelle Konditionenmodelle. Wie schon gesagt: Am Ende hängt es davon ab, was ich als Apotheker mit meinem Lieferanten vereinbare und wie offensiv ich meine Interessen vertrete, auch was die Transparenz der Rechnungen angeht.

ADHOC: Geht es denn grundsätzlich einfacher?
ZIMMERMANN: Wenn man will, natürlich! AEP hat sich entschieden, komplett ohne Individualisierung, ohne Ausschlüsse und mit maximaler Transparenz zu arbeiten.

ADHOC: Ändert sich die Haltung der Apotheker?
ZIMMERMANN: Unsere Umfrage aus dem vergangenen Jahr hat ergeben, dass 80 Prozent der Apotheker mit ihren Großhandelsrechnungen unzufrieden sind. Es mehren sich Stimmen, die mehr Transparenz einfordern, eine Transparenz, die in anderen Branchen üblich ist und zwischen Partnern normal sein sollte.

ADHOC: Wie verbreitet und wie hilfreich sind Einkaufsberater?
ZIMMERMANN: Ich würde schätzen, dass jede zweite Apotheke sich professionell beraten lässt. Ob man dadurch am Ende glücklicher wird, muss der Apotheker wissen. Denn werden Differenzen gefunden, wird in der Folge oft gestritten, was eigentlich vereinbart war. Auch unser Konditionsrechner bietet lediglich eine Analyse, an deren Ende allenfalls die Erkenntnis stehen kann: Das ist nicht das, was ich geglaubt habe mit meinem Außendienst vereinbart zu haben.

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