Schweiz

Apothekenkooperation holt Selektivvertrag

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Berlin -

In der Schweiz tut sich die Krankenkasse Swica mit der Kooperation Toppharm zusammen: Im Rahmen einer neuen Grundversicherung soll Kunden, die zuerst eine Apotheke aufsuchen, ein Beitragsrabatt von 19 Prozent gewährt werden. Swica will so Arztkosten senken und Versicherte belohnen, die bei leichteren Krankheiten zuerst zum Apotheker gehen.

Der Apothekerverband Pharmasuisse befürwortet Bestrebungen, Apotheken stärker und angemessen vergütet in die Grundversorgung der Bevölkerung einzubinden. Einer Umfrage zufolge können sich 48 Prozent der Bürger vorstellen, einen Versicherungstarif abzuschließen, der Rabatte gewährt, wenn Erkrankungen vor einem Arztbesuch zuerst mit dem Stammapotheker abgeklärt werden. Im Vorjahr hatten nur 40 Prozent diese Ansicht vertreten.

Swica gewährt ihren fast 700.000 Versicherten in einem neuen Tarif ein Versicherungsrabatt von 18 bis 19 Prozent, wenn sie bei Erkrankungen zuerst einen Apotheker konsultieren. Alternativ können sie in demselben Tarif auch eine Hotline anrufen und sich telemedizinisch beraten lassen. So sollen Arztkosten gespart werden. „In Notfällen sollen sich unsere Kunden natürlich sofort an einen Arzt wenden“, sagt eine Sprecherin der Versicherung.

Das Swica-Angebot komme Kunden entgegen, die ohnehin schon bei leichteren Erkrankungen ihren Apotheker aufsuchten. „Wir werden nicht nur einen Rabatt gewähren, sondern auch die sonst fällige Beratungsgebühr von 15 Schweizer Franken übernehmen“, erklärt die Sprecherin. Dazu müsse der Versicherte nur seine Karte vorzeigen.

„Apotheker können bei vielen Bagatellkrankheiten adäquat helfen“, so die Sprecherin. Dazu zählt sie etwa Kopfschmerzen, Erkältungen, Durchfall oder Fußpilz: „In solchen Fällen weiß auch der Apotheker, welches Medikament abzugeben ist“, ist sie überzeugt.

Für Toppharm habe man sich entschieden, weil die 118 Apotheken bereits mit einem separaten Beratungszimmer ausgestattet seien. Zudem hätten die Apotheker in Weiterbildungen spezielle Algorithmen erlernt, um die Krankheit eines Kunden einzuordnen und entsprechend vorzugehen. „Schon seit drei Jahren leisten Toppharm-Apotheken also auf Privatrechnung das, was nun die Swica-Versicherung tragen wird“, erklärt ein Toppharm-Sprecher.

Die Vereinbarung gilt nicht exklusiv für Toppharm, sondern für alle Apotheken, die am Projekt „Netcare“ teilnehmen. Nach entsprechender Weiterbildung können die Apotheker im Beratungszimmer das Krankheitsbild des Kunden erfragen. „Dann gibt es drei Möglichkeiten: Der Apotheker entscheidet selbst, wie die Krankheit des Kunden zu behandeln ist, er zieht einen Telemediziner hinzu oder er schickt schwierige Fälle weiter zum Arzt“, so der Sprecher. In den drei Jahren seit dem Start haben sich rund 300 Apotheker qualifiziert.

Etwa 75 Prozent der leichteren Krankheiten könne der Apotheker allein behandeln, in weiteren 20 würde er über die Telemedizin einen Arzt hinzuziehen. „Nur für 5 Prozent der Kunden konnte nicht gleich in der Apotheke eine Lösung gefunden werden – sie wurden an den Arzt verwiesen“, sagt der Sprecher.

Für die Apotheker sieht man bei Toppharm in dem Angebot einen Kompetenzgewinn. „Dafür werden uns auch die Ärzte dankbar sein, weil diese entlastet werden, da ihnen die Apotheker Bagatellfälle abnehmen“, ist der Sprecher überzeugt. Bislang zeigt sich der Ärzteverband FHM skeptisch: „Der Apotheker wird nur wenige Fälle abschließend behandeln können“, sagte Verbandspräsident Jürg Schlup in einem Interview.

Noch müsse der Versicherungstarif von Swica vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit bewilligt werden. Doch bei Swica geht man davon aus, dass das reibungslos funktionieren wird: „Das Modell erfüllt alle Kriterien“, sagt die Sprecherin. Ab dem 1. Januar 2016 soll die Versicherung dann in Kraft treten. Abgeschlossen werden könne sie aber schon in diesem Jahr: Von September bis einschließlich November können Schweizer ihre Grundversicherung wechseln.

Ähnliche Selektivverträge gibt es seit 2007 bei anderen Krankenkassen: Branchenprimus Helsana hatte mit dem Schweizerischen Drogistenverband (SDV) Sonderkonditionen für die Abgabe bestimmter Rezepturen und ausgewählter Blutdruckmessgeräte vereinbart: Alle Zusatzversicherten erhielten einen Rabatt von 10 Prozent, sofern sie ihre Rezepte in einer Drogerie einlösten.

Assura wiederum hatte zeitgleich mit Pharmed einen Tarif aufgelegt, bei dem Versicherte ihre Rezepte nur in der Apothekenkette Sunstore einlösen konnten. Bis 2010 hatten sich laut Assura-Direktor Dr. Fredi Bacchetto etwa 10 Prozent der Versicherten dafür entschieden, entsprechend rund 70.000 Patienten.

Hierzulande hatte die Gothaer vor einigen Jahren für Schlagzeilen gesorgt. Bei den Tarifen MediVita und MediComfort behielt sich die private Krankenversicherung per Sonderklausel das Recht vor, nur 80 Prozent der Kosten zu erstatten, wenn Versicherte ihre Arznei- und Verbandmittel nicht über vorgebene Bezugsquellen beziehen. Ursprünglich hatte die Versicherung ein Auge auf Versandapotheken geworfen – doch das Projekt wurde später eingestellt. Die Allianz wiederum hatte mit der Europa Apotheek Venlo (EAV) einen „Arzneimittelservice“ aufgelegt, bei dem die Versicherten nicht mehr in Vorleistung gehen mussten. Nach massiver Kritik wurden auch niedergelassene Apotheken einbezogen.

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