Italien

EuGH: Apotheken sind kein Monopol

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Berlin -

Wenn Ökonomen nach einer Liberalisierung des Apothekenmarktes rufen, wird gerne das sogenannte „Apothekenmonopol“ stigmatisiert. Dass zehntausende Einzelapotheken eine marktbeherrschende Stellung hätten, sei aber weder nachgewiesen noch zu vermuten, erklärt Nils Wahl, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), in seinen Schlussanträgen zu einem Vorlageverfahren aus Italien.

Davide Gullotta, Apotheker und Inhaber eine Parafarmacie in der sizilianischen Stadt Catania, hatte beim Gesundheitsministerium beantragt, auch verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben zu können, die nicht vom nationalen Gesundheitsdienst erstattet werden (Liste C). Im August 2011 wurde der Antrag abgelehnt. Gullotta, der als Vorsitzender des Verbands der Parafarmacie-Betreiber zuletzt für eine politische Freigabe lobbyiert hatte, klagte. Das sizilianische Verwaltungsgericht legte den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

In seinen Schlussanträgen verweist Wahl auf eine frühere Entscheidung des EuGH zu ähnlichen Fällen aus Norditalien: Die Regelung stelle zwar eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, sie sei aber gerechtfertigt, um „eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen“, so die Richter im Dezember 2013.

Das sizilianische Gericht führte aber zwei weitere Aspekte an, warum die Apothekenpflicht für Rx-Medikamente gegen EU-Recht verstoßen könnte: Einerseits würden Apotheker, die Parafarmacien betreiben, möglicherweise in ihrer Berufsausübungsfreiheit schlechter gestellt als Kollegen, die normale Apotheken betreiben. Andererseits sei denkbar, dass die Apotheken eine marktbeherrschende Stellung hätten – die ihnen womöglich sogar von der Regierung eingeräumt werde. Beides sei aber nach EU-Recht unzulässig.

Wahl weist beide Auslegungen zurück: Genauso wie die Niederlassungs- lasse sich auch die Berufsausübungsfreiheit beschränken, wenn dadurch die Gesundheit der Bevölkerung geschützt werden kann. Das italienische Gericht habe lediglich allgemeine Zweifel geäußert, ob dieser Grundsatz uneingeschränkt auf Apotheker anwendbar sei – obwohl der Beruf gerade einer Reihe von Verpflichtungen unterliege, die dem Gemeinwohl dienten.

Das Gericht hätte aber darlegen müssen, warum die italienischen Regelungen die beiden Grundrechte nicht ausgewogen gewichte. „Mangels jeglicher Ausführungen zu diesen entscheidenden Gesichtspunkten komme ich zu dem Ergebnis, dass die […] Vorlagefrage […] unzulässig ist.“

Noch deutlicher wird Wahl bei der Frage zur Marktdominanz der Apotheken: Es sei nicht ersichtlich, warum „jede (oder einige) der über 15.000 Apotheken in Italien über eine einzelne marktbeherrschende Stellung verfügt oder ob davon auszugehen ist, dass diese Einrichtungen gemeinsam eine marktbeherrschende Stellung innehaben“.

Selbst wenn man aber unterstelle, dass eine marktbeherrschende Stellung nachgewiesen werden könnte, sei fraglich, „in welcher Weise eine solche Stellung rechtswidrig zur Ausschaltung des Wettbewerbs auf dem maßgeblichen Markt beziehungsweise den maßgeblichen Märkten missbraucht werden könnte“.

Mitgliedstaaten dürften laut EU-Recht einem Anbieter keine besonderen oder ausschließlichen Rechte verleihen, wenn dieser „durch die bloße Ausübung der ihm übertragenen Vorzugsrechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht“. Den Beweis für die potenzielle oder tatsächliche wettbewerbswidrige Wirkung sei das Gericht aber schuldig geblieben, so Wahl.

Der Generalanwalt empfiehlt den Richtern, das Vorabentscheidungsersuchen abzuweisen. Außerdem erlaubt er sich den Hinweis, dass solche unspezifischen Anfragen „nicht akzeptabel“ seien. Alleine im vergangenen Jahr seien 40 Vorlageverfahren zurückgewiesen worden, noch einmal so viele teilweise.

„Jede Rechtssache, die aus verfahrensrechtlichen Gründen zurückgewiesen wird, führt zu einer erheblichen Vergeudung von Ressourcen sowohl des vorlegenden Gerichts als auch der Unionsgerichte (vor allem weil der Vorlagebeschluss in alle Amtssprachen der Europäischen Union übersetzt werden muss). Darüber hinaus müssen die Beteiligten des Ausgangsverfahrens eine Verzögerung des Verfahrens hinnehmen, die keinen Nutzen bringt.“

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