Erst Impfzertifikate, dann E-Rezept

Serverausfälle: Apotheker warnt vor digitalem Super-GAU

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Berlin -

Manchmal sind es ein paar Minuten, manchmal mehrere Stunden – seit der Anbindung des Apothekenportals an die Telematikinfrastruktur (TI) funktioniert die Erstellung der digitalen Impfnachweise in der Pelikan-Vital-Apotheke in Mülheim nicht mehr zuverlässig. Inhaber Patrick Witte sieht sich mit diesem Problem nicht allein. Während er versucht, die Ursache zu finden, mahnt er zur Vorsicht bei unausgereiften digitalen Projekten: Der Apotheker sieht die Ausstellung der QR-Codes als Testlauf für das E-Rezept und ist sehr skeptisch.  

Witte stellte nach anfänglichen Startschwierigkeiten zunächst problemlos digitale Impfzertifikate für seine Kund:innen aus. Das Portal des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) funktionierte wie am Schnürchen. „Es ging alles super und in Echtzeit“, sagt er. Die Kund:innen mussten nicht warten und verließen zufrieden die Apotheke. Als nach der Zwangspause wegen einer Sicherheitslücke Ende Juli die Apotheken schrittweise wieder angebunden wurden und die Verbindung zur TI hergestellt war, kamen die Probleme.

In der Pelikan-Vital-Apotheke gibt es seitdem keine stabile Verbindung zum Portal mehr. Immer wieder stürzt es ab. „Die Zahl der Ausfälle ist schwer zu beziffern“, sagt Witte. Denn es gebe kein einheitliches Muster. Im Schnitt passiere es 20 Mal pro Tag – teilweise geht für eine Stunde, manchmal nur für ein paar Minuten nichts mehr. „Wir fürchten permanent, dass es gleich zusammenbricht, wenn wir mal drin sind.“ Auffällig sei, dass es vor 9 Uhr und am Abend nach Betriebsende besser funktioniere.

Aus diesem Grund sieht der Apotheker auch nicht den DAV als Schuldigen. Er setzte bereits alle Hebel in Bewegung, um die Ursache des Problems zu finden: Das Softwarehaus ist informiert, der Konnektor funktioniere. Die Telekom führe aktuell über eine Fernwartung eine Netzwerkdiagnose durch. „Vielleicht gibt es Störstellen im Haus oder im Stadtgebiet“, fragt sich Witte. Komisch dabei sei jedoch, dass die anderen Prozesse online nicht gestört seien. Da es keine Regelmäßigkeit bei den Ausfällen der Erstellung der QR-Codes gebe, sei es schwer für die IT-Techniker:innen, dem Problem auf den Grund zu gehen. „Ich kenne Kollegen, bei denen es auch gar nicht geht“, sagt Witte.

Die Ausfälle sind für den Mülheimer Pharmazeuten ein Warnsignal. „Das System ist sehr fragil und noch längst nicht ausgereift.“ Momentan gehe es zwar nur um ein „Luxusproblem“, denn die Kund:innen verfügten immerhin über einen analogen Impfnachweis. Allerdings zeige das Beispiel die Abhängigkeit von der in diesem Fall nicht sicher funktionierenden Technologie auf. „Die Probleme werden auch von der Gematik sträflich vernachlässigt und runtergespielt“, kritisiert er. Doch „die schöne neue Welt“ habe Schwachstellen, die mit dem E-Rezept erhebliche Auswirkungen auf den Apothekenalltag und die Patient:innen haben könnten.

Witte fordert ein stabiles, ausfallsicheres System vor der Einführung des E-Rezepts. Er selbst glaubt nicht, dass dies ab dem 1. Januar 2022 kommen wird, und sieht sich mit seinen Zweifeln nicht allein. „Man hört ja gar nichts aus Berlin, wo das E-Rezept und die Abläufe angeblich getestet werden. Die würden schon mitteilen, wenn es ein Erfolg wäre.“

Es sei sehr wichtig, dass die Einführung funktioniere. Wenn die Apotheke das E-Rezept nicht übermittelt bekomme oder es nicht aufrufen und abgeben könne, stünden die Kund:innen in der Offizin. „Was sollen wir dann machen? Ich kann doch nicht verlangen, dass sie in Vorkasse gehen, mir 500 Euro geben und wir später eine Rückbuchung machen. Die Leute zeigen mir doch den Vogel. Ich mache mir große Sorgen wegen des Alltagsbetriebs.“

Zudem könne gerade von älteren Patient:innen nicht erwartet werden, dass sie sich mit „völlig komplizierten Apps“ beschäftigen. Auch die Krankenkassen sieht Witte noch nicht in der Lage, mit dem E-Rezept umzugehen. Witte verlangt, dass die Technik rund um das E-Rezept ausgiebig vorab getestet wird, um Ausfälle so gering wie möglich zu halten. Bis dahin sei die Papierlösung die deutlich einfachere Alternative.

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