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Verwirrung bei Mehrkostenregelung

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In wenigen Tagen haben Kassenpatienten zum ersten Mal die Möglichkeit, sich von den Rabattverträgen zu befreien und gegen Vorkasse in der Apotheke ein Wunschpräparat zu erhalten. Vieles ist noch unklar, doch die AOK Baden-Württemberg warnt schon jetzt: Die freie Auswahl könnte teuer werden. Auf jeden Fall sollten sich die Versicherten in der Apotheke die Mehrkosten genau ausrechnen lassen. Wie das gehen soll, weiß niemand.

Wünscht der Patient ein bestimmtes Präparat, muss er zunächst den vollen Preis bezahlen und das abgestempelte Rezept zur Kostenerstattung bei seiner Kasse einreichen. Diese erstattet einen Betrag, von dem aber Pauschalen für den entgangenen Rabatt und den Bearbeitungsaufwand abgezogen werden. Wie hoch die Erstattung am Ende ausfällt, kann in der Apotheke daher niemand sagen.

Die AOK Baden-Württemberg rät ihren Versicherten trotzdem, sich in der Apotheke die Mehrkosten für das „Vorkasse-Medikament“ vorab genau ausrechnen zu lassen, um hinterher keine böse Überraschung zu erleben. Beim Apothekerverband ist man überrascht: Die Berechnungen der Kassen seien nach wie vor eine „Black box“, sagte eine Sprecherin auf Nachfrage.

Erst gestern hat der Verband Handzettel an die Apotheken verschickt: Wegen unbekannter Rabatte und Bearbeitungsgebühren könnten keine Berechnungen angestellt werden, heißt es in der Information für die Kunden. Zusätzlich hat der Verband seinen Mitgliedern Beratungsquittungen zur Verfügung gestellt - dies hatte der Sozialverband VdK Deutschland bei der Anhörung zum Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) vorgeschlagen, um die Unabhängigkeit der Apotheker sicher zu stellen.


Eine bundesweit einheitliche Regelung gibt es nicht. Kompliziert wird es für die Apotheken aber auch bei der Umsetzung der Neuregelung: Sind noch andere Medikamente verordnet, bekommt der Patient nur eine Kopie; die Apotheke muss die entsprechende Rezeptzeile streichen und gibt das Rezept dann wie gewohnt in die Abrechnung. Auf Nachfrage konnte bislang auch niemand die Frage beantworten, ob Kassen oder Versicherte eine Möglichkeit haben, Hersteller- und Kassenabschlag einzufordern. Im AMNOG heißt es dazu lediglich, dass die der Krankenkasse entgangenen Rabatte zu berücksichtigen seien. Die Abschläge sollten pauschaliert werden.

Die AOK Baden-Württemberg, ihrerseits Verhandlungsführerin für die Rabattverträge, hält prinzipiell nicht allzu viel von den neuen Möglichkeiten und warnt die Versicherten vor unangenehmen Konsequenzen: Wer sein Wunschpräparat verlange, müsse nicht nur in Vorkasse treten, sondern auch „mit erheblichen Zusatzkosten“ rechnen. Die Krankenkassen dürften nach Gesetz nur die Kosten des Medikaments erstatten, das die Apotheke eigentlich abgegeben hätte.

Von diesem Erstattungsbetrag seien weitere gesetzliche Abschläge vorzunehmen. Den Aufpreis müssten Versicherte, die auf ein anderes Medikament bestehen, selbst bezahlen. „Wir können von diesem Verfahren nur abraten“, sagt AOK-Chef Dr. Rolf Hoberg. „Durch die Neuregelung könnte leicht der Eindruck entstehen, dass Vorkasse-Medikamente auch die besseren Medikamente seien. Es gibt aber nach Feststellung der Zulassungsbehörde keinen medizinischen Zusatznutzen, da diese Medikamente den selben Wirkstoff in identischer Stärke enthalten und es sich um qualitativ völlig gleichwertige Produkte handelt.“

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