Sennesblätter, Faulbaumrinde & Co.

Pflanzlich bedeutet nicht immer sanft

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Berlin -

Oft fragen Patienten gezielt nach pflanzlichen Alternativen, da Phytopharmaka den Ruf haben, besser für den Körper zu sein und sanfter zu wirken. Für zahlreiche Heilpflanzen trifft dies auch zu. Bei einigen Drogen ist jedoch Vorsicht geboten. Zu den bekanntesten Beispielen gehören Abführmittel.

Bei leichten Erkrankungen greifen viele Menschen gerne auf pflanzliche Arzneimittel zurück, in Erwartung, dass die Wirkung sanfter und die Neben- und Wechselwirkungen geringer ausfallen. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Einige pflanzliche Inhaltsstoffe wirken um ein Vielfaches stärker als ihre chemischen Vertreter. Eines der bekanntesten Beispiele aus dem Handverkauf ist das Thema Obstipation. Gewisse pflanzliche Laxantien gelten als obsolet und sollten nicht mehr empfohlen werden.

Sennesblätter und -früchte

Die Blätter und Früchte des Johannisbrotgewächses wirken stark abführend und können bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch Risiken mit sich bringen. Daher gilt es Warnhinweise, Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen zu beachten. Die wirksamen Inhaltsstoffe der Sennesblätter und Sennesfrüchte sind Anthranoide, hauptsächlich verschiedene Sennoside. Diese sorgen für einen verstärkten Einstrom von Wasser und Elektrolyten in den Darm, zusätzlich wird die Darmperistaltik angeregt. Nach der Einnahme tritt die Wirkung nach etwa acht bis zwölf Stunden ein: Daher empfiehlt sich die Verwendung der Droge am Abend, sodass am nächsten Morgen die Darmentleerung erfolgt.

Häufig treten unter der Verwendung Magen-Darm-Beschwerden wie starke krampfartige Bauchschmerzen auf. Während der Anwendung kann es zu einer Verfärbung des Harns kommen. Bei längerer Einnahme kann es zu Problemen mit dem Wasser- und Elektrolythaushalt kommen – vor allem Kaliumverluste sind möglich. Bei chronischem Gebrauch kommt es zu Darmträgheit und Pigmenteinlagerungen in die Darmschleimhaut. Daher sollten die Präparate maximal ein bis zwei Wochen verwendet werden. Kontraindiziert ist die Arzneipflanze bei Darmverschluss, Blinddarmentzündung, entzündlichen Darmerkrankungen, sowie abdominalen Schmerzen unbekannter Ursache und bei Kindern unter zwölf Jahren. Außerdem ist während der Schwangerschaft und Stillzeit von einer Einnahme abzuraten, da verschiedene Anthranoide möglichenerweise genotoxische Eigenschaften besitzen.

Toxikologisch gefährlich kann die Droge bereits nach der Aufnahme von zwei Gramm werden. Bei höheren Mengen kann es zu Überdosierungen mit Symptomen wie Leibschmerzen, Erbrechen, Albuminurie und Hämaturie kommen. Auch die Darmnerven können geschädigt werden. Für die Arbeit mit getrockneten Blattbestandteilen in der Teerezeptur gilt: Um allergische Reaktionen zu vermeiden, sollte während des Abwiegens eine Maske getragen werden, so können die Stäube nicht in die Atemwege gelangen.

Faulbaumrinde

Die Droge riecht nach Fäulnis und ist gut wirksam bei Verstopfung. Rhamnus frangula gehört zur Familie der Kreuzdorngewächse. Faulbaumrinde muss laut Arzneibuch mindestens 7 Prozent sogenannte Glucofranguline enthalten. Es handelt sich hierbei um Anthrachinon-Derivate die an pflanzliche Zuckermoleküle gebunden sind. So gelangen sie in den Dickdarm. Hier wird der Zucker durch Bakterien enzymatisch abgespalten. Dadurch wird das Anthranoid in seine aktive Form umgewandelt. Der Wassereinstrom in den Darm wird gefördert, gleichzeitig wird das Austreten von Wasser durch eine Abdichtung der Darmschleimhaut verhindert. Auch beim Dauergebrauch dieser Arzneipflanze kann es zur Urinverfärbung kommen. Auch der typische Laxantien-Teufelskreis tritt beim Abusus ein. Es kommt zur wiederkehrenden Verstopfung, wodurch der Gebrauch von Abführmitteln steigt. Schließlich kommt es durch den Dauergebrauch zu Elektrolytverschiebungen.

Rizinusöl

Rizinusöl entfaltet im Gegensatz zu den meisten Laxantien seine abführende Wirkung bereits im Dünndarm. Es kommt spätestens nach vier Stunden zur kompletten Darmentleerung. Anwender sollten darüber informiert werden, da bis zum nächsten regulären Stuhlgang einige Tage vergehen können. Der Geschmack von Rizinusöl ist unangenehm und kann bei Anwendern zu Übelkeit führen. Neben der abführenden Wirkung verstärkt Rizinusöl auch Wehen. Rizinusöl wird aus den Samen der Christuspalme gewonnen. Neben fettem Öl enthält es giftige Lectine und Pyridinalkaloide. Bereits zwei geschluckte Samen können für Menschen tödlich sein. Daher ist das Verfahren zur Gewinnung entscheidend: Durch Kaltpressung wird verhindert, dass die fettunlöslichen Giftstoffe in das Öl gelangen können. Durch anschließendes Aufkochen können suspendierte Lectine entfernt werden.

Colchicin

Colchicin ist eine natürlich vorkommende Substanz der giftigen Herbstzeitlosen. Die Anwendung des Alkaloids ist kritisch: Richtig dosiert kann es gegen die typischen Beschwerden eines akuten Gichtanfalls helfen. Wird es jedoch überdosiert, kann es schnell zu Vergiftungserscheinungen kommen. In einigen Fällen kam es durch eine Falscheinnahme bereits zu Todesfällen. Unter der Einnahme von Colchicin kommt es bei vielen Patienten zu Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen. Als ebenfalls häufige Nebenwirkung kann es zu schweren Durchfällen kommen, weil die Epithelzellen des Darmes sehr teilungsaktiv sind und empfindlich reagieren. Bei Überdosierung wird die Niere unter Umständen irreparabel geschädigt. Bei längerer Anwendung kann es zu Schäden des Knochenmarks und Haarausfall kommen.

Digitalisglykoside

Digitalisglykoside, auch Herzglykoside genannt, sind pharmakologisch aktive Wirkstoffe aus verschiedenen Pflanzenarten. Neben dem Fingerhut enthalten auch Maiglöckchen und die Meerzwiebel diese wirksamen Inhaltsstoffe. Sie beeinflussen die Kontraktionskraft und die Erregbarkeit des Herzens. Gleichzeitig führen Digitalisglykoside zu einer verminderten Schlagfrequenz und einer Verlangsamung der Erregungsleitung. Das natürlich im Fingerhut enthaltene Digoxin hat eine lange Halbwertszeit von 1,5 Tagen – die Ausscheidung erfolgt renal. Digitoxin, ebenfalls im Fingerhut enthalten, wird hauptsächlich über die Leber und über die Galle ausgeschieden. Die besonders lange Halbwertszeit von bis zu einer Woche hängt von der Wiederaufnahme im Darm (Enterohepatischer Kreislauf) ab.

Die therapeutische Breite von Digitalisglykosiden ist klein. Nach initialer Aufdosierung sollte daher stets eine Kontrolle des Serumspiegels erfolgen, um die weitere Dosierung anzupassen. Bereits die doppelte therapeutische Dosis kann eine Toxizität herbeiführen. Bei Überdosierungen kommt es, je nach eingenommener Dosis, zu Herzrhythmusstörungen. Darüber hinaus kann es zu Sehstörungen mit typischem gelb-grün Sehen kommen. Im Rahmen von Intoxikationen treten häufig gastrointestinale Nebenwirkungen auf.

 

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