Nicht so gut wie sein Ruf

Kokosöl: Unberechtigter Hype?

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Berlin -

In den vergangenen Jahren hat Kokosöl sowohl im Bereich der Ernährung wie auch als Bestandteil von Kosmetika an Bekanntheit gewonnen. Kokosöl ist daher auch in der Apotheke immer wieder Thema von Beratungsgesprächen. Vor allem im Internet wird es oft als Wundermittel gegen alle möglichen Beschwerden und Krankheiten angepriesen. Ein im Fachjournal „Circulation“ veröffentlichtes Review und eine Metaanalyse zeigen nun erneut, dass es mit Vorsicht zu genießen ist.

Kokosöl als Bestandteil von Gesichts- und Körpercremes gegen trockene Haut, als Lippen- und Narbenpflege, bei oberflächlichen Verletzungen oder zur Haarpflege bei Spliss und trockenem Haar – die angepriesenen Einsatzmöglichkeiten im kosmetischen Bereich sind vielseitig. Doch auch in der Küche angewendet soll es vorbeugend gegen Krankheiten helfen können: Unter anderem soll es Körpergewicht reduzieren, Blutfett- und Blutzuckerwerte senken und antimikrobiell wirken.

Vergleich mit anderen Fetten

Im Beratungsgespräch gilt es jedoch nicht nur die möglichen Vorteile, sondern auch potenzielle Nachteile und Risiken aufzuzeigen. Denn das Öl ist nicht so gut wie sein Ruf: Forscher der Universität Singapur analysierten insgesamt 17 Studien, die sich mit der Wirkung und den Effekten von Kokosöl beschäftigt haben. Die Untersuchungen waren breit gefächert: Es wurden bewusst Studien ausgewählt, in denen Kokosöl mit mindestens einem anderen Fett verglichen wurde – darunter Distelöl, Rapsöl oder Sojaöl. Die Laufzeit der einzelnen Studien betrug mindestens zwei Wochen. Insgesamt nahmen über 700 Probanden teil.

In einer Studie wurde Kokosöl mit Butter verglichen, um Rückschlüsse über die Wirkungen ziehen zu können. Zwar schnitt Kokosöl in Bezug auf den Cholesterinspiegel etwas besser ab, dennoch ließ auch das vermeintliche Wundermittel den Wert ansteigen. Kokosöl erhöhte dabei neben dem LDL-Cholesterin auch das als günstig geltende HDL-Cholesterin. Unklar ist, ob sich durch den verbesserten HDL-Wert ein positiver Einfluss auf das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ableiten lässt. Bisher konnte dies nicht nachgewiesen werden.

Kein Grund Kokosöl zu bevorzugen

Experten zweifeln daher am Hype, der sich um das Öl rankt. Professor Dr. Stephan Martin, Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums in Düsseldorf, sieht beispielsweise keinen Grund, Kokosöl zu bevorzugen wie das Portal „Medscape“ berichtet. „Es gibt da einen Hype, viele Menschen glauben, Kokosöl sei besser, aber hier sieht man: Die Cholesterinspiegel steigen. Nicht viel, aber ein bisschen. Kokosöl ist also nicht besser als andere Fette, die gesättigte Fettsäuren enthalten“, kommentiert er.

Kokosöl ist vor allem in der asiatischen Küche beliebt, doch auch hierzulande wird es immer häufiger verwendet. Sein hoher Gehalt an gesättigten Fettsäuren – immerhin bis zu 90 Prozent – soll besonders gesund sein. Die Mehrzahl dieser Fettsäuren sind mittelkettig. Sie sollen den Autoren der Studie zufolge schneller in Ketonkörper umgewandelt werden und schon in der Pfortader resorbiert und abgebaut werden, anstatt in der Leber die Cholesterinsynthese zu beeinflussen.

Laurinsäure als Hauptbestandteil

Ein besonderer Bestandteil des Kokosöls ist die sogenannte „Laurinsäure“, welche in großen Mengen enthalten ist: Sie enthält zwölf Kohlenstoffatome und zählt daher eigentlich noch zu den mittelkettigen Fettsäuren. Im Körper werde sie jedoch wie eine langkettige Fettsäure verstoffwechselt, erklären die Autoren der Studie – Resorption und Abbau dauern daher länger. Der Einsatz wird daher auch kontrovers diskutiert.

„Kokosöl ist kein Öl, das sich verhält, als wären seine Hauptkomponenten mittelkettige Fettsäuren. Es hat nur etwa 13 Prozent echte mittelkettige Fettsäuren. Laurinsäure als mittelkettige Fettsäure zu klassifizieren, ist unzutreffend“, erklärt Professor Dr. Frank Sacks, Präventionsforscher von der Universität Harvard in Boston. Daher würden sich keine Vorteile für den Metabolismus oder das Körpergewicht ableiten lassen. Auch die einbezogenen Studien der Metaanalyse konnten keine Hinweise dazu liefern – weder Körperfettgehalt noch Taillenumfang wurden durch Kokosöl beeinflusst. Zudem fanden die Wissenschaftler heraus, dass Kokosöl sowohl auf Nüchtern-Blutzucker wie auch Entzündungsmarker keinen Einfluss nimmt. Sacks bezeichnet das gesunde Image des Kokosöls daher auch als „bemerkenswerten Marketingerfolg der Industrie“.

Experten warnen schon länger

Schon vor zwei Jahren empfahlen Experten einen zurückhaltenden Konsum von Kokosöl, der auch den Apothekenkunden nahegelegt werden sollte: Die vielen gesättigten Fettsäuren würden sogar eine Gesundheitsgefahr darstellen und könnten unter anderem das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen steigern, hieß es damals. Kokosöl habe daher zu Unrecht ein positives Image, sagte Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Mehrere internationale Studien hätten das Gesundheitsrisiko, das von Kokosöl ausgehe, bereits belegt. Dennoch profitiere das exotische Fett vom Trend zu internationaler sowie veganer und vegetarischer Küche. Es werde im Handel immer häufiger nachgefragt.

Wer Kokosöl gelegentlich zum Kochen nutze, müsse sich keine Sorgen machen, sagte Gahl. Häufig verwendet, sei es jedoch schädlich. Dass Kokosöl beim Abnehmen helfe, wie es die Werbung suggeriere, sei schlicht falsch, sagte Gahl. Besser als Kokosöl seien demnach Pflanzenöle wie Raps-, Soja, Oliven-, Sonnenblumen- oder Leinöl. Diese enthielten ungesättigte Fettsäuren und seien daher weniger bedenklich.

Auch in Bezug auf Nachhaltigkeit und Ökologie ist Kokosöl fraglich: Wegen langer Lieferwege und oft fragwürdiger Anbaumethoden habe es eine schlechte Öko-Bilanz, erklärte Ilka Petersen, Referentin Landnutzung und nachhaltige Biomasse bei der Umweltorganisation WWF Deutschland. Ökologische und soziale Mindeststandards würden kaum eingehalten. Zudem setze der Handel Kokosbauern zunehmend unter Druck. Diese könnten von ihren Erträgen trotz steigendender Nachfrage kaum leben, der Großteil der Gewinne gehe an die zahlreichen Zwischenhändler der Branche. Die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen für die Bauern müssten dringend verbessert werden.

 

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