Beratungspsychologie – zwischen den Zeilen Tobias Lau, 23.08.2019 08:28 Uhr
-
Nicht nur Fakten, sondern auch Gefühle: Im Beratungsgespräch werden viele wichtige Informationen zwischen den Zeilen vermittelt. Foto: APOTHEKE ADHOC
-
Auch eine Konfliktlösung kann die Kundenbindung festigen und Arbeitsabläufe in der Apotheke optimieren. Foto: Elke Hinkelbein
-
Nicht vergessen! Ohne Kunden geht es nicht – auch wenn der Ärger manchmal groß sein kann. PTA und Apotheker treffen immer wieder auf die unterschiedlichsten Kundentypen. Foto: Marcus Witte
-
Der Beratungsresistente: Nimmt sein L-Thyroxin nie auf nüchternen Magen und setzt sein Antibiotikum nach zwei Tagen ab, weil es ihm schon viel besser geht. Blutdrucksenker bei Bedarf. Eigentlich ein Netter. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Onliner: Fällt in der Medikationshistorie mit unregelmäßigen Käufen für akutmedizinische Fälle auf. Bestellt alles andere mit Vorlauf im Internet, weil das einfach bequemer ist. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Witzeerzähler: Einen hab ich noch. Kommt nie ohne Witz. Eigentlich ein guter Stammkunde, der leider auch deutliche Hinweise nicht versteht, dass hinter ihm eine Schlange steht. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Homöopathische: Hat Kräfte zur Selbstheilung. Will selbst hartnäckige Infektionen nicht antibiotisch behandeln lassen. Hat seinen Sohn Hahnemann getauft. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Ängstliche: Kommt mit Mundschutz in die Apotheke und bittet die PTA, sich die Hände zu desinfizieren, bevor sie die Packungen in den mitgebrachten Plastikbeutel legt. Liest jeden Beipackzettel und wartet auf die Nebenwirkungen. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Verschwörungstheoretiker: Glaubt, dass die Apotheker mit der Pharmaindustrie unter einer Decke stecken und Arzneimittel an ihm testen. Hat dafür auch Beweise im Netz gefunden. Wird von seiner Krankenkasse verfolgt. Die will sogar ein Foto von ihm. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Unverschämte: Nimmt meistens nur die Kundenzeitschriften. Spruch bei jedem OTC-Kauf: „Das ist online aber billiger.“ Spruch bei jeder Nachbestellung: „Dann müssen Sie mir das aber bringen.“ Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Ungeduldige: Ruft schon beim Eintreten: „Zweite Kasse!“ Ignoriert die Diskretionslinie geflissentlich und mahnt Personal und Mitkunden zur Eile im Beratungsgespräch. Geht wieder, wenn mehr als drei Kunden in der Apotheke stehen. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Substitutionsausschluss: Akzeptiert den Rabattvertrag seiner Kasse nicht. Ist sicher, dass dieses Generikum nicht wirkt. „Ich weiß das jawohl besser als Sie!“ Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Testkäufer: Kauft meistens Kombinationspräparate gegen Erkältung oder verlangt die Pille ohne Rezept. Außer er ist von der Kammer, dann werden Wechelwirkungen geprüft – oder eine Rezeptur in Auftrag gegeben. Ist meist gefährlich freundlich. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Verwöhnte: Kommt nur noch zum kostenlosen Blutdruckmessen in die Apotheke. Lässt sich seine Arzneimittel lieber per Botendienst bringen. O-Ton: Das Rezept können Sie in der Praxis abholen. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Pfennigfuchser: Kennt die Onlinepreise der gesamten Sichtwahl und verhandelt auch gern. Kommt aber wegen der gratis Taschentücher. Das Plastiktüten-Edikt hat ihn hart getroffen. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Sensible: Mag es nicht, wenn es zu laut in der Apotheke ist. Mag lieber in den Beratungsraum gehen. Mag das Wort ‚krank‘ nicht. Weint manchmal, wenn ein Arzneimittel bestellt werden muss. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Kollege: Sagt zur Begrüdung: Guten Tag, Kollege. Sieht sich sehr aufmerksam in der Apotheke um. Manchmal meint er, für das verschreibungspflichtige Präparat bräuchte er ja wohl kein Rezept. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Chroniker: Kommt rein, bringt sein Rezept, kennt sein Arzneimittel, ist gut eingestellt, macht gelegentlich einen Medikationscheck. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Gepflegte: Bringt selten ein Rezept. Verbringt seine Freizeit aber gerne in der Freiwahl und shoppt sich durchs L’Oréal-Sortiment. Gibt den PTA manchmal Schulungen. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Choleriker: Hat Einwände gegen die Substitution. Hat schon einmal die Apotheke zerlegt, als er gefragt wurde, ob er sich mit dem Mittel auskennt. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Hypochonder: Kommt jeden Tag. Lässt jeden Monat seine Hausapotheke checken und auffüllen. Wurde schon viermal mit dem Krankenwagen aus der Apotheke abgeholt. Nach der Entlassung auf dem Heimweg kommt er wieder und kauft Lefax. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Arzt als Patient: Legt seinen Arztausweis vor. Lässt sich nicht so gerne beraten, diskutiert lieber über die „Apothekenpreise“. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Vorbesitzer: Ist in Pension und fragt nur gelegentlich, ob alles gut läuft oder ober „was helfen kann“. Findet die neue Einrichtung zu „kühl“. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Renitente: Diskutiert über die Zuzahlung. Diskutiert über den Rabattvertrag. Diskutiert über den Einnahmezeitpunkt und den Weg zum Ausgang. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Treue: Kommt immer noch in die Apotheke, obwohl er umgezogen ist und jetzt in der Nachbarstadt wohnt. Gratuliert den Kindern des Inhabers zu jedem Geburtstag. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der ewige Akutfall: Muss immer alles sofort haben, obwohl das Rezept schon drei Wochen alt ist. Eine N3 ist doch eigentlich ein ganz guter Countdown. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Familienmanager: Löst Rezepte für sich und den Partner und die Kinder ein. Hat vier Versicherungskarten im Portemonnaie und vier Kundenkarten, damit die Medikationspläne stimmen. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Charmeur: Schenkt der Chefin regelmäßig Blumen und bringt manchmal statt eines Rezeptes nur ein Kompliment in die Apotheke. Ist recht beliebt beim Team. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Der Besserwisser: Hätte auch Pharmazie studieren können, hat sich aber wegen der Ferien für Lehramt entschieden: Sport und Chemie. Hält gerne ein Co-Referat zur Beratung und vergibt am Ende eine Note für das Gespräch. Grafik: APOTHEKE ADHOC
-
Dr. Googles Liebling: Kennt seine Diagnose, bevor sie der Art kennt. Weiß um die beste Therapie. Konfrontiert auch den Apotheker mit neuesten Studien und Wechselwirkungen. Liegt gelegentlich falsch. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - Vor allem Ärzte, aber auch Apotheker werden viel dafür gescholten, unverständlich mit Patienten zu kommunizieren, Fachchinesisch zu reden oder sich nicht genug Zeit zu nehmen. Doch auch umgekehrt gilt: Die Kommunikation vieler Patienten ist verbesserungsfähig. Die Psychologin Kirsten Khaschei beschäftigt sich seit langem mit Gesprächsführung zwischen Patienten und Heilberuflern. Zuletzt hat sie der Frage, worauf Patienten im Arztgespräch achten sollten, ein ganzes Buch gewidmet. Im Gespräch erklärt sie, worauf Apotheker und PTA beim Umgang mit Patienten und Kunden achten sollten.
„Arztgespräche richtig führen – So mache ich mich verständlich“ ist gerade im Dudenverlag erschienen. „Auf beiden Seiten besteht ein großes Bedürfnis nach hilfreichen und klärenden Gesprächen – egal, ob es dabei in der Hausarztpraxis um Medikamente gegen Magenbeschwerden geht oder im Krankenhaus um die Narkose vor einer geplanten Operation“, schreibt Khaschei. Die Patienten bewegen sich dabei oft auf einem schmalen Grat zwischen Eigenverantwortung und Überforderung.
„Es handelt sich bei Gesprächen mit Ärzten und Apothekern gleichermaßen meist um eine Situation, in der ein angeschlagener Mensch Hilfe sucht. Und kranke Menschen zeichnet oft ein großes Informationsbedürfnis aus“, erklärt sie im Gespräch. „Gleichzeitig haben die Patienten teilweise nur ein geringes Gesundheitswissen. Das gilt es zu beachten.“ Da man einem Patienten, den man nicht kennt, nicht auf Anhieb ansehen kann, wie fundiert sein Wissen ist, sei es ratsam, stets „dessen Informationsbedürfnis zu spiegeln“, wie Khaschei es ausdrückt. Konkret heißt das vor allem, den Patienten nicht einfach zu belehren, sondern ihn dazu zu motivieren, Nachfragen zu stellen. Nicht nur kann er sich seine Informationen dann selbst nach Bedarf einholen, er gibt dem Apotheker damit auch Anhaltspunkte über den Grad seines eigenen Vorwissens.
„Nutzerfreundliche Kommuniktation“, nennt Khaschei das. „Man darf sich nicht hinstellen und sagen: ‚Ich bin hier, schau mal, was ich alles weiß.“ Ein weiterer psychologischer Mechanismus spielt dabei ebenfalls eine Rolle: „Wenn ich etwas einfach nur herunterspule, gebe ich dem Patienten unterbewusst das Gefühl, dass die Informationen nicht so wichtig wären.“
Lesen Sie auch
-
Notfallkontrazeptiva EllaOne: Apothekenbesuch ist Überwindung »
-
Luft im Bauch Schwieriges Beratungsthema: Blähungen »
-
Kommunikation Flucht aus dem Kundengespräch »
-
„Ich vertrage das nicht“ Der Umgang mit Reklamationen »
-
Kundenbindung Von geliebten und ungeliebten Kunden »
-
Diskretion „Warum ich ungern in Apotheken gehe“ »
-
Beratungskompetenz „In jeder Apotheke stehen 100 Jahre Berufserfahrung“ »
Neuere Artikel zum Thema
-
Rundumblick gefordert Über die Bedeutung der Psychologie in der Offizin »
-
ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick Münzterror: Apothekerin schafft Bargeld ab »
- Fitness in der Schwangerschaft Mit Pilates durch die Schwangerschaft »
- Apothekenteams berichten So oft können sich Patienten die Zuzahlung nicht leisten »
- Erkältungstipps Anatomische Erkältungsreise: Nasennebenhöhlen »
Mehr aus Ressort
- Giftstoffe Acrylamid in der Weihnachtsbäckerei »
- Polyneuropathie Taubheitsgefühle mit TCM lindern »
- Viruserkrankungen bei Kindern Drei-Tage-Fieber: Harmlose Herpesinfektion »
APOTHEKE ADHOC Debatte