Kommentar

Die Welle rollt

, Uhr
Berlin -

Es war nur eine Frage der Zeit. Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) Krebspatienten das Apothekenwahlrecht abgesprochen hat, nutzt die AOK ihre neue Macht und schreibt die Zytoversorgung im großen Stil aus: Die Republik wird aufgeteilt. Wirtschaftlich mag das sinnvoll sein – aber nicht im Sinne der Patienten.

Die AOK Hessen hatte 2013 den Sprung ins kalte Wasser gewagt und Sterilrezepturen ausgeschrieben. Zuvor war die Barmer in Nordrhein-Westfalen gescheitert; nur die AOK Nordost hatte bereits 2010 in Berlin Nägel mit Köpfen gemacht. Wahrscheinlich ist die Sache aus Sicht der AOK Hessen schon maximal schief gegangen – immerhin musste man sich bis zu den Freunden in Kassel klagen. Doch am Ende zeigte sich: In dieses Wasser kann man als Kasse gefahrlos springen.

Nun kommt die große Welle. Den Anfang macht die AOK, die im Vergleich zu anderen Kassen ohnehin viele Krebspatienten hat. Doch auch andere Player werden ihre Möglichkeiten ausloten. Barmer-Chef Dr. Christoph Straub hat bereits deutlich gemacht, dass er Ausschreibungen für eine Möglichkeit hält, um über Preise zu verhandeln – und seit dem 25. November gibt es einen Hinderungsgrund weniger.

Auch wenn es Kassenfunktionäre gibt, die nichts von Zyto-Ausschreibungen halten: Letztlich wird es sich keine Kasse leisten können, auf die schnellen Einsparungen zu verzichten. Schließlich geht es um einen Bereich, in dem jährlich fast drei Milliarden Euro umgesetzt werden. Und laut AOK konnte mit der Ausschreibung etwa ein Drittel der Kosten eingespart werden.

Jetzt, wo die Schleuse einmal geöffnet ist, können die Entwicklungen nur schwer aufgehalten werden. Allenfalls die Politik könnte sich noch ein Herz fassen und Zyto-Ausschreibungen endlich verbieten. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die öffentliche Abrechnung eines verstrittenen Hamburger Zyto-Duos hat die Sache für die vermeintliche „Krebs-Mafia“ nicht einfacher gemacht.

Die Zytoversorgung wird derweil zu einem quasi-industriellen Spiel und die Apotheken werden darin zunehmend zu Marionetten. Zwar hat die AOK das Ausschreibungsgebiet in fünf Regionen und 79 Lose zerlegt und festgelegt, dass jeder Apotheker maximal vier Lose in einem Gebiet erhalten darf. Doch bei den eingeschalteten Herstellbetrieben gibt es keine Einschränkungen. Sie können das Geschäft übernehmen.

An den Patienten denkt dabei schon lange niemand mehr, Sparsamkeit ist das Gebot der Stunde. Wenn eine Apotheke Sterilrezepturen billiger anbietet, muss der Patient eben warten. Wenn gespart wird, ist das für alle Versicherten gut – außer für die Kranken. Wer bei den Kranken spart, um Gesunde zu ködern, hat den Solidargedanken nicht verstanden.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema
Mehr zum Thema
„Keine Gewinnerzielung um jeden Preis“
BSG bestätigt Rezeptur-Nullretax
Mehr aus Ressort
Bauernprotest kein Positivbeispiel
Overwiening: Gebrüll bringt keine Erfolge

APOTHEKE ADHOC Debatte