Honorar vs. Sicherstellungsauftrag

Verfassungsklage: Plan B für mehr Geld?

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Berlin -

Da die Politik die Forderungen der Apothekerschaft nach einer Honoraranpassung ignoriert, braucht es einen Plan B. Der ist bei der Abda auch angeblich in Planung, verraten will man über mögliche Maßnahmen aber noch nichts. Möglicherweise wird neben Protesten auch ein juristisches Vorgehen vorbereitet. Darauf deutet jedenfalls ein Auftritt von Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening bei der Jahresversammlung des Hessischen Apothekerverbands (HAV) in der vergangenen Woche hin.

Overwiening war beim Jahrestreffen des HAV als Gastrednerin eingeladen; neben den aktuellen Protestmaßnahmen sprach sie – zur Überraschung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer – plötzlich von selbst einen möglichen juristischen Weg an. Denn laut § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) müssen die Preise und Preisspannen per Rechtsverordnung festgelegten Medikamentenpreise „den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen“. Und was die Patientinnen und Patienten angeht, gehören dazu eben nicht nur, wie man annehmen könnte, möglichst geringe Ausgaben, sondern laut Gesetzestext auch „die Sicherstellung der Versorgung sowie die Bereitstellung von Arzneimitteln“.

Insofern sei es eigentlich nicht haltbar, dass die Vergütung – und dabei insbesondere das Fixum – seit Jahren nicht angepasst worden sei, so die Aussage von Overwiening beim HAV-Treffen. Der Staat könne nicht die Verantwortung für die Versorgung an die Apotheken abgeben und es dann bei der Vergütung einfach laufen lassen nach dem Motto: Macht mal. Eine Apothekerin hakte direkt nach, warum der Klageweg dann nicht längst beschritten worden sei. Verbandschef Holger Seyfarth will am Ball bleiben und im Nachgang zur Veranstaltung weitere Informationen einfordern.

Abda hält sich bedeckt

Noch hält sich die Abda bedeckt. Die Nachfrage, ob tatsächlich eine Verfassungsklage geprüft werde und ob es dazu ein entsprechendes Gutachten oder konkrete Pläne gebe, wollte ein Sprecher nicht beantworten: „Zu möglichen juristischen Schritten bei unseren Honorar-Forderungen können wir im Moment noch nichts sagen.“

Ein Grund für die Zurückhaltung könnte die Tatsache sein, dass die Abda oder andere Berufsorganisationen vermutlich gar nicht klageberechtigt wären, sondern eine Apothekerin oder ein Apotheker den entsprechenden Prozess führen müsste. Und bis zu einer Entscheidung könnte es Jahre dauern, denn die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland müsste durch die verwaltungsgerichtlichen Instanzen geführt und womöglich am Ende um eine Verfassungsbeschwerde erweitert werden.

Hinzu kommt sicherlich die Sorge, dass eine juristische Niederlage die derzeitige Situation der Apotheken zementieren könnte. Vor einigen Jahren scheiterte der Hersteller Desitin mit seinem Prozess gegen den Zwangsrabatt zugunsten der PKV: Das Bundesverfassungsgericht nahm die Sache nach der Niederlage vor dem Bundesverwaltungsgericht gar nicht mehr an.

Niederlagen vor Gericht

Und auch die Apothekerschaft hat bei anderer Gelegenheit bereits mehrere empfindliche Niederlagen vor Gerichten kassiert: So erklärte das Bundessozialgericht die Nullretaxationen für zulässig; zehn Jahre dauerte es, bis schlussendlich mit dem Engpass-Gesetz (ALBVVG) zumindest einige Konstellationen gesetzlich verboten wurden. Und auch die Streichung der Rx-Preisbindung für ausländische Versender geht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zurück.

Apotheker Yannick Detampel von der Holsten Apotheke in Schacht-Audorf hat in Eigeninitiative die Erfolgsaussichten bereits prüfen lassen. Dr. Fiete Kalscheuer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus Kiel, sieht in seinem Kurzgutachten zwar durchaus Möglichkeiten, den Anspruch auf Überprüfung und Anpassung des Apothekenhonorars gerichtlich feststellen zu lassen. Doch er sieht auch Risiken, etwa wegen des ominösen 2hm-Gutachten aus dem Jahr 2018. Die vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) beauftragten Gutachter kamen seinerzeit zu dem Schluss, dass sogar eine deutliche Reduktion des Fixbetrages angezeigt sei. Das 2hm-Gutachten müsste daher mit substanziellen Argumenten gegengutachterlich in Frage gestellt werden, sollte man sich vor Gericht streiten.

Regelmäßige Anpassung im Gesetz

In 20 Jahren wurde das Fixum nur einmal angefasst – 25 Cent mehr gibt es seit 2013 – dabei ist eine regelmäßige Überprüfung sogar im Gesetz vorgesehen: „Die Umstellung des Apothekenzuschlags auf einen Festzuschlag und einen prozentualen preisabhängigen Zuschlag macht es erforderlich, dass der Festzuschlag in der Regel durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, angepasst werden kann.“ Die Anpassung soll sich dabei an der jeweiligen Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung richten. In der Regel soll eine Überprüfung im Abstand von zwei Jahren erfolgen, um häufige Anpassungen im geringen Cent-Bereich zu vermeiden.

„Tatsächlich ist es in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht zu einer regelmäßigen Anpassung des Fixbetrages an die Kostenentwicklung der Apotheken gekommen“, heißt es im Gutachten. Der Fixpreis liege lediglich 3,09 Prozent höher als vor 19 Jahren. Damit sei in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein erheblicher Kaufkraftverlust zu verzeichnen. Diese Entwicklung drohe sich angesichts der derzeit hohen Inflationsraten weiter zu verstärken.

Abda setzt auf Politik

Noch im Frühjahr hatte die Abda auf Nachfrage erklärt, dass der vorgeschlagene Weg einer Klage vorerst nicht in Frage komme: „Die Abda hat sich in ihrem aktuellen 10-Punkte-Forderungskatalog entschieden, die Honoraranpassung politisch anzugehen – nicht juristisch“, so ein Sprecher im April. Ohnehin habe man sich mit dem Gutachen noch nicht befasst, hieß es damals: „Der Abda liegt dieses Gutachten nicht vor. Es hat in den vergangenen Jahren allerdings schon verschiedene Gutachten etlicher Beteiligter im Gesundheitswesen gegeben, die unterschiedliche Ergebnisse haben.“

Trotz ihrer Andeutungen beim HAV-Treffen setzt Overwiening wohl noch auf ein Einsehen bei der Politik: „Die Präsidentin fordert die Bundesministerien für Wirtschaft und Gesundheit mit Nachdruck auf, das Apothekenhonorar unter Berücksichtigung der Kostenentwicklung in den Apotheken schnellstens anzuheben. Die Apotheken stehen unter großem wirtschaftlichen Druck, die Apothekenzahl sinkt sonst unaufhaltsam. Deswegen werden wir die Kommunikation mit der Politik weiter auf allen Ebenen intensivieren“, heißt es in einem Statement.

Zunächst erwarte man von Gesundheitsminister Karl Lauterbach Antworten auf die sechs gestellten Fragen zur Stärkung der Apotheke vor Ort. „Die rund 17.800 Apothekenteams in Deutschland werden am 27. September die Möglichkeit nutzen, geschlossen den Antworten des Ministers live zu folgen und seine Antworten digital zu bewerten. Sollten diese Antworten keine unmittelbare Stärkung der Apotheken in Aussicht stellen, werden weitere Protestmaßnahmen folgen.“

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