Rezeptsammelstelle

Stadtbahn verhindert Rezeptmonopol

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Berlin -

Jedes Jahr schließen mehr Apotheken, als neue hinzukommen. Vor allem in ländlichen Gebieten ist mit dem Wegfall der einzigen Apotheke dann schnell die Arzneimittelversorgung in Gefahr. Rezeptsammelstellen sind der ordnungspolitische Notnagel. Aber aus Bequemlichkeit für die Bevölkerung darf es keine Außenstellen der nächstgelegenen Apotheke geben, entschied das Verwaltungsgericht Köln (VG).

Apotheker Dr. Thomas Künzer, Inhaber der Sertürner Apotheke im benachbarten Stadtteil Heimersdorf, wollte in Merkenich eine Rezeptsammelstelle einrichten. Doch die Apothekerkammer Nordrhein lehnte den Antrag ab, die Voraussetzungen seien nicht gegeben. Künzer klagte gegen die Entscheidung der Kammer.

In der vergangenen Woche entschied das VG zu Gunsten der Kammer, jetzt liegen die Urteilsgründe vor. Die Richter setzen die Maßstäbe des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) an, das die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) schon entsprechend ausgelegt hat. Demnach ist die Entfernung zur nächstgelegen Apotheke der erste Maßstab. Als „grobes Richtmaß“ gelten sechs Kilometer. Zusätzlich kommt es auf die örtlichen Verhältnisse an.

Wenn eine Klärung aufgrund der geographischen Gegebenheiten nicht möglich ist, so ist demnach ergänzend auf die Verkehrsanbindung abzustellen. Hier gilt als Richtschnur, dass öffentliche Verkehrsmittel mindestens einmal vormittags und nachmittags zwischen dem Ort und der nächsten Apotheke verkehren müssen. Das muss in angemessener Zeit möglich sein: Dauert die Verbindung wesentlich länger als eine Stunde, kann der Bevölkerung nicht mehr zugemutet werden, die Arzneimittel selbst in der Apotheke zu beschaffen.

An diesen Maßstäben sei weiterhin festzuhalten, entschied das VG. Köln-Merkenich könne demnach nicht als „abgelegener Ort“ angesehen werden. Als maßgeblicher Ortsmittelpunkt wurde die St. Brictius-Kirche angenommen. Nicht nur die Künzers Apotheker liege weniger als sechs Kilometer davon entfernt, sondern zwei weitere in den Stadtteilen Chorweiler und Niehl.

Auch die Verkehrsanbindung ist aus Sicht der Richter kein Problem: Die Straßenbahnlinie 12 fährt im 10- oder 20-Minutentakt. Von der Station Merkenich Mitte könnte die Bevölkerung ohne umzusteigen in 14 Minuten zur Station Köln-Weidenpesch fahren. Die Kapuziner-Apotheke liegt direkt an der Haltestelle.

Eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung verlange nicht, das der Weg zur Apotheke nicht weiter sein dürfe als in größeren Städten, so die Richter. In ländlichen Regionen seien die Entfernungen regelmäßig größer und die Verkehrsanbindung schlechter.

Dass es in Merkenich einen Arzt gibt und deshalb der Bedarf für eine Apotheke bestehe, ließen die Richter als Argument ebenfalls nicht gelten: Es sei zwar angenehm, einen kurze Distanz zwischen Praxis und Apotheke zu haben. „Eine Rezeptsammelstelle darf jedoch nicht lediglich zur bequemen Arzneimittelversorgung erlaubt werden“, so das VG.

Zwar berührt die Zulassung des Versandhandels laut VG die Leitvorstellung des Rezeptsammelverbots. Der Gesetzgeber unterscheide aber offensichtlich zwischen den Versorgungsformen Präsenz- und Versandapotheke. Die Anforderungen an Rezeptsammelstellen seien mit der ApBetrO-Novelle sogar noch konkretisiert und verschärft worden.

Gegen ein Aufweichung der Verbotsnorm spricht aus Sicht des VG auch, dass die Erlaubnis zur Errichtung einer Rezeptsammelstelle „marktlenkende Wirkungen“ im umliegenden Bereich habe. „Anders als der auf Wettbewerb ausgerichtete Versandhandel führt sie zu einer Monopolisierung der Annahme von Rezepten an einem Ort.“ Das berühre die Berufsausübung anderer Apotheker und bedürfe schon deshalb einer besonderen Rechtfertigung. „Eine Ausbreitung von Rezeptsammelstellen könnte die Erhaltung beziehungsweise Neueinrichtung von Präsenzapotheken erschweren, was dem Anliegen der Bevölkerung zuwiderliefe“, so das Gericht.

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