„Kammer, die wirklich unsere Standesvertretung ist“

Kammerwahl in Hessen: Liste 7 will Funke stürzen

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Frankfurt -

Wie viele andere Kolleginnen und Kollegen hat Dr. Schamim Eckert manchmal Tage, an denen sie sich wirklich bemühen muss, die Lust am Apothekerberuf nicht zu verlieren. Doch es sind nicht nur die Rahmenbedingungen und der Murks der Politik, die ihr zu schaffen machen. Die Inhaberin der Glocken-Apotheke in Neu-Anspach findet auch, dass die eigene Standesvertretung eine Katastrophe ist. Also hat sie sich entschieden, bei der Kammerwahl in Hessen als Überraschungskandidatin anzutreten.

Paukenschlag bei der APOTHEKENTOUR in Frankfurt: Bei einem Livetalk kündigte Eckert an, dass sie bei der Kammerwahl antreten will. Damit gibt es völlig überraschend eine siebte Liste, der neben der Spitzenkandidatin zahlreiche prominente Kolleginnen und Kollegen aus dem Umfeld des Hessischen Apothekerverbands (HAV) angehören: Mit dabei ist etwa Verbandschef Holger Seyfarth, aber auch Cordula Eichhorn von der Freien Apothekerschaft (FA). Laut Eckert ist es eine „bunte Liste mit kleinen und großen Betrieben“.

Die Apothekerin macht ihrem Unmut offen Luft: Sie und ihre Mitstreiter seien so unzufrieden mit der Arbeit der Kammer, dass nur noch ein Neuanfang möglich sei – mit neuen Leuten im Amt! „Ein ‚Weiter so‘ darf es nicht geben. Wir brauchen frischen Wind“, so Eckert. Daher tritt die Liste 7 auch unter dem Namen „Team Neustart – Auswechseln. Aufbruch. Aufschwung zusammen!“ an.

„Wir wollen eine Kammer, die wirklich unsere Standesvertretung ist“, sagt sie. Viel zu lange seien die Apothekerinnen und Apotheker in Hessen gegängelt worden. Ein Stichwort lautet Notdienst, für dessen Neugestaltung man regelrecht habe kämpfen müssen und der nach wie vor intransparent sei. „Hier muss was getan werden.“

Ein weiteres Beispiel sei der Stellenmarkt: Sieben Monate lang habe die Website der Kammer nicht funktioniert – „im 21. Jahrhundert, das kann doch nicht sein“, findet Eckert. Die fehlende Beteiligung beim Protesttag im vergangenen Oktober sei schließlich ein öffentlich wahrnehmbarer Tiefpunkt gewesen: Statt Unterstützung habe es die Androhung berufsrechtlicher Verfahren gegeben.

Ein Ruck durch die Abda

„Die Kammer muss wieder unsere Berufsvertretung werden“, sagt Eckert. Sie müsse mit jedem Mitglied in einem offenen Dialog stehen und die Probleme ihrer Mitglieder ernst nehmen. „Die Kommunikation zwischen Kammer und den Mitgliedern muss fair und offen sein.“ Die Zusammenarbeit mit dem Verband beschreibt Eckert als fantastisch, jetzt müsse es eben auch mit der Kammer so werden – und irgendwann vielleicht mit der Abda. „Wir brauchen dringend eine bessere Standesvertretung, und dazu muss es einen Ruck geben“, so Eckert.

Sie verweist darauf, wie zermürbend die Arbeit in der Apotheke geworden sei: „Wie können wir uns damit zufriedengeben, dass unsere Arbeit nur noch darin besteht, Versorgungszeiträume, Unterschriften und das Datum zu kontrollieren?“ Wer eine solche Arbeit wolle, der suche sich doch einen Job in der Verwaltung und nicht im Gesundheitswesen. Umgekehrt bräuchte sie für das, was von den Apotheken derzeit erwartet werde, kein pharmazeutisches Personal, sondern viel eher eine Bürokraft.

Es müsse sich jetzt etwas ändern, wenn es die Apotheke in 20 Jahren noch geben solle. „Wir geben uns größte Mühe, motiviert zu bleiben, aber die Rahmenbedingungen werden immer schlechter.“ Besonders schwierig seien die Lieferengpässe, die viel Zeit und Ressourcen kosteten, gleichzeitig sei die Vergütung hierfür völlig unzureichend. „Wir verwalten die Missstände unserer Politik und Krankenkassen, dabei wollen wir eigentlich mit den Patienten arbeiten, nicht verwalten.“

„Das Traurige ist nicht, dass man das mit uns macht, sondern dass wir das jahrelang mit uns haben machen lassen. Dank unserer schlechten Lobbyarbeit nimmt uns der GKV-Spitzenverband nicht ernst. Wir müssen uns besser aufstellen.“ Die Apotheken könnten sich in ihrer derzeitigen Verfassung in Verhandlungen mit den Kassen gar nicht durchsetzen, wie sie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in seiner Apothekenreform ab 2027 vorsieht. „Dazu braucht es eine starke Standesvertretung, die deutlich macht, was Apotheke bedeutet: Gerade in strukturschwachen Regionen gibt es oft schon keinen Arzt mehr, wenn dann auch noch auf Apotheker verzichtet würde, gäbe es überhaupt keinen heilberuflichen Akademiker mehr vor Ort. Wollen wir das?“

Apotheken geeint in der Krise

Hoffnung macht ihr, dass die Apothekerinnen und Apotheker seit dem vergangenen Jahr wiederholt auf die Straße gegangen seien und etwa ein Durchwinken der unseligen Apothekenreform verhindern konnten. Die Krise habe die Apotheken zusammengebracht, jetzt kämpfe man Seite an Seite. „Wir waren noch nie so laut wie jetzt. Vor einem Jahr wusste niemand von den Problemen, jetzt weiß jeder, dass das System bröckelt.“

Das gemeinsame Engagement wirke. „Dass wir manche Probleme abwehren konnten, verdanken wir nicht unserer Standesvertretung.“ Die Abschaffung der Präqualifizierung etwa sieht sie als Erfolg: „Wie konnten wir überhaupt zulassen, dass das mit uns gemacht wurde?“

Sie sei stolz, Teil des „hessischen Wegs“ zu sein. „Unser Modell ‚Selber denken, selber machen‘ funktioniert: Durch unsere Proteste, unsere Petition und unsere Kampagne haben wir viel erreicht.“ Gerade weil man nicht gekuscht habe, habe man in Hessen einen guten Draht zur Politik entwickelt. „Wir werden endlich ernst genommen.“

Eckert fordert die Kolleginnen und Kollegen auf, ihre Stimmte abzugeben: „Geht wählen – wenn wir nicht wählen, sind wir selbst schuld an unserem Untergang.“ In den Apotheken sei in den vergangenen Jahren zu viel nur noch angstgesteuert gewesen. „Wenn sich jetzt nichts ändert, dann sehe ich schwarz für unsere Zukunft.“

Mehr als nur eine Kammerwahl

Aus ihrer Sicht geht es um mehr als nur die Kammerwahl: Zunächst müsse man vor der eigenen Haustür aufräumen, dann könne es weitergehen. „In Hessen haben wir angefangen, vielleicht geht es bald nach Berlin.“ Und ihre Hoffnung ist, dass in weiteren Bundesländern eine ähnliche Initiative entsteht.

Eckert geht es nicht um Machtspielchen: „Hätte ich Weltherrschaft angestrebt, wäre ich nicht Apothekerin geworden – ich wollte und will als Heilberuflerin tätig sein.“ Sie will berufspolitisch etwas erreichen, damit die Arbeit in der Apotheke wieder Spaß macht: „Ich will mich um die Leute kümmern und nicht den ganzen Tag hinter dem Schreibtisch irgendeinen Mist verwalten.“

Eckert ist unzufrieden mit der Arbeit der Kammer.Foto: APOTHEKE ADHOC

Eckert ist für eine Aufwertung des PTA-Berufs: Die Ausbildung sollte auf ein duales System umgestellt werden, damit die Schülerinnen und Schüler schon während der Ausbildung Geld verdienten. Und es müsse auch Weiterentwicklungsmöglichkeiten geben, etwa ein Bachelor-Studium – „aber das geht nicht über Nacht.“

„Apotheke light geht aber gar nicht“, so Eckert mit Blick auf die geplante Apothekenreform. Und auch der Versuch, die Apotheken durch eine kostenneutrale Umverteilung zu retten, werde nicht funktionieren. Die Apotheken bräuchten jetzt und nicht erst 2027 mehr Geld – wenigstens in Form einer Anpassung an die Inflation. „Dann könnten wir auch unseren Mitarbeitern mehr zahlen.“

Wie wenig die Arbeit der Apotheken der Politik wert sei, könne man an der Engpasspauschale sehen. Die 60 Cent reichten genaugenommen gerade einmal für den Hinweis: „Tut mir leid, es ist nicht lieferbar'.“ Ohnehin bekämen die Apotheken das Geld nur dann, wenn Ersatz mit dem gleichen Wirkstoff gefunden werde – und nicht für einen Austausch nach Rücksprache mit den Ärzten inklusive Beratung.

Die Forderung nach 12 Euro hält sie allerdings für absurd: Man könne nicht jahrelang tatenlos zusehen, wie die gesetzliche vorgesehene Anpassung jahrelang ignoriert werde und dann eine 40-prozentige Steigerung fordern. „Wir brauchen regelmäßige Anpassungen ohne Verhandlungen – so wie bei den Politikern existieren.“ Daher macht Eckert ein provokatives Angebot: „Wenn Herr Lauterbach und die Kassenchefs bereit sind, bis 2027 für ihr Gehalt von vor 20 Jahren zu arbeiten, dann mache ich das auch.“ Aber das werde nun einmal keiner der Verantwortlichen tun.

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