Interview Tierärzte-Verband

„Wir können nicht auf Apotheken warten“

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Berlin -

Die Tierärzte wehren sich gegen den Vorschlag des EU-Parlaments, das Dispensierrecht im Bereich der antimikrobiellen Veterinärarzneimittel einzuschränken. Die Resolution der Abgeordneten fasse an der falschen Stelle an, kritisiert Heiko Färber, Geschäftsführer des Bundesverbands Praktizierender Tierärzte (BPT). Das Dispensierrecht sieht er nicht als die Ursache für den hohen Antibiotika-Einsatz.

ADHOC: Gehen Tierärzte sorglos mit dem Dispensierrecht um?
FÄRBER: Nein. Da Tierärzte Arzneimittel sowohl verschreiben als auch abgeben, stehen sie unter besonders kritischer Beobachtung. Die Kontrolle und der Druck sind größer, als wenn Verordnung und Abgabe getrennt wären. Dann nämlich fühlt sich niemand für die Folgen verantwortlich.

ADHOC: Ist der Vorschlag des EU-Parlaments zielführend?
FÄRBER: Die Resolution des EU-Parlaments fasst an der falschen Stelle an. Das Dispensierrecht ist nicht das Problem. In den Niederlande hat beispielsweise der Berenschot-Bericht gezeigt, dass der Wegfall des Dispensierrechts nicht dazu führen würde, dass der Antibiotika-Gebrauch sinkt. Und in Dänemark ist der Antibiotika-Einsatz vor allem aufgrund von freiwilligen Verpflichtungen zurückgegangen. Wir schließen daraus, dass die Einschränkung des Dispensierrechts nicht zu weniger Antibiotikaeinsätzen führt.

ADHOC: Was wäre besser?
FÄRBER: Weniger Arzneimittel können nur verordnet werden, wenn sich die Gesundheit der Tiere verbessert. Man muss beim Haltungs- und Hygienemanagement ansetzen und darüber nachdenken, wie oft tierärztliche Betreuung stattfindet. Auch Impfprogramme sind ein Ansatzpunkt.

ADHOC: Hat es denn für die Tierhalter Vorteile, wenn nicht die Apotheken, sondern die Ärzte die Arzneimittel abgeben?
FÄRBER: Nur die Tierärzte wissen über die pharmakologische Wirkung der Arzneimittel bei Tieren Bescheid. Die Apotheker lernen das weder in ihrem Studium noch ist es ihr täglich Brot. Auch bei der ABDA heißt es, dass man Tierarzneimittel eigentlich gar nicht haben will.

ADHOC: Was ist das Problem für die Apotheken?
FÄRBER: Für große Tierbestände müssen große Mengen an Arzneimitteln vorrätig gehalten werden. Tierärzte werden häufig nachts oder am Wochenende gerufen, und dann muss schnell gehandelt werden. Da kann man nicht warten, bis der Großhandel die Apotheke und die Apotheke den Viehhalter beliefert hat, sonst verendet unter Umständen der gesamte Tierbestand. Es ist zu befürchten, dass sich nur wenige Apotheken in sehr viehreichen Regionen überhaupt auf Tierarzneimittel spezialisieren und die notwendigen vorrätig halten werden. Das kann dann zum Problem für die Landwirtschaft in den weniger viehreichen Gegenden werden.

ADHOC: Wäre der Versandhandel eine Lösung?
FÄRBER: Der Versandhandel bietet im Vergleich zur stationären Apotheke keinerlei Vorteile. Ganz im Gegenteil: Mit dem Versandhandel würde die Transparenz des Tierarzneimittelverkehrs noch weiter abnehmen. Das ist weder im Interesse des Tierarztes, noch des Tierhalters und schon gar nicht der Verbraucher. Gerade bei den lebensmittelliefernden Tieren ist die tierärztliche Hausapotheke der beste Garant für Transparenz und Sicherheit. Aus gutem Grund ist der Versandhandel deshalb in der EU für lebensmittelliefernde Tiere verboten.

ADHOC: Wie geht es denn nach der Resolution der EU-Abgeordneten weiter?
FÄRBER: Die Resolution ist inhaltlich ziemlich dürftig und spricht wesentliche Punkte nicht an. Außerdem ist die Empfehlung des Parlamentes nicht bindend. Wir gehen davon aus, dass die EU-Kommission deutlich wissenschaftlicher an die Sache herangeht. Sollte es dann wirklich an die Rechtssetzung gehen, überlegen die Abgeordneten sicherlich auch anders als bei einer solchen Empfehlung. Ich gehe im Übrigen auch davon aus, dass die Mitgliedstaaten die Umstellung nicht mit tragen, denn die allermeisten EU-Staaten räumen Tierärzten ein Dispensierrecht ein.

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