EuGH-Spezial

Entscheidungsfreiheit in Gefahr

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Welche Risiken der Fremdbesitz von Apotheken theoretisch haben kann, zeigten die Vertreter des Deutschen Apothekerverbandes, der Apothekerkammer des Saarlandes sowie verschiedener Apotheker aus Saarbrücken, Claudius Dechamps von der Frankfurter Kanzlei Waldeck sowie Professor Jürgen Schwarze von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Ihrer Meinung nach sind Kapitalgesellschaften per se anfälliger für unrechtmäßges - also den Profit über die ordnungsgemäße Berufsausübung stellendes - Gewinnstreben, da unternehmerische Belange getrennt von fachlichen Angelegenheiten entschieden werden.

Handlungsmaximen, die auf der Ebene des Managements rational und akzeptabel seien, könnten unter Umständen nicht mit dem ordnungsgemäßen Apothekenbetrieb vereinbar sein, so Dechamps. Der Anwalt warnte in diesem Zusammenhang vor den Folgen einer Vertikalisierung, beispielsweise der Bevorzugung bestimmter Arzneimittel.

Auch die berufsethischen Regeln zur Vermeidung von unnötigem Arzneimittelkonsum seien aus unternehmerischer Sicht eher hinderlich. Nur Apotheker als Inhaber vereinten kaufmännisches Gewinnstreben und pharmazeutischen Sachverstand. Ohnehin seien selbstständige Apotheker weniger auf kurzfristiges Gewinnstreben ausgerichtet, da die Apotheke auch ihre persönliche Lebensgrundlage darstelle. Den im Schriftlichen Verfahren vom Saarland geäußerten Vorwurf, „hoch verschuldete Apotheker“ stünden unter einem höheren wirtschaftlichen Existenzdruck wies Dechamps als Teilbetrachtung und Verzerrung zurück: Die Investitionen in eine Apotheke seien geplante Geschäftsausgaben und als solche hinreichend kalkuliert.

Dechamps stellte außerdem klar, dass die Hälfte aller Arzneimittel ohne Rezept abgegeben würden und daher dem Apotheker nicht nur eine besondere Rolle als einziger Fachmann, sondern auch hinreichend Handlungsspielraum zukomme. Auch bei der Substitution sowie der Auswahl im Rahmen der Rabattverträge habe der Apotheker Verantwortung für die Auswahl der Arzneimittel. Hier bestehe in konzernzugehörigen Apotheken die strukturelle Gefahr, dass die Auswahl nicht nur durch fachliche, sondern durch unternehmerische Erwägungen beeinflusst werde.

Schwarz unterstrich, dass sich die Dynamik in Apotheken von Kapitalgesellschaften nicht hinreichend kontrollieren ließe: So bestünden jenseits von Weisung „subtilere Einflussmöglichkeiten“. Man dürfe nicht zulassen, dass betriebsinterne Anreizsysteme dazu motivierten, die Beratung einzuschränken. Laut Schwarze übernehmen in Kapitalgesellschaften „alleine am Unternehmensziel orientierte Personen“ die Planung der Ressourcen in den Apotheken wie Ausstattung oder Einkauf sowie die Festlegung von Umsatzzielen. „Sie entscheiden über den Freiraum, den die Angestellten zur Gesundheitsversorgung zur Verfügung haben.“

Da die berufsfremde Leitung von Apotheken laut Schwarze also Gefahren bergen kann, muss es den Mitgliedstaaten erlaubt sein, das Schutzniveau selbst festzulegen. Außerdem hätten die Länder das Recht auf ein „in sich stimmiges Gesundheitssystem“. Schwarze wies die EU-Richter in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in Deutschland das Fremdbesitzverbot verfassungsrechtlich erlaubt, die Bedarfsprüfung dagegen verfassungsrechtlich unzulässig sei. Ein Ersatz der Kontrollmechanismen sei daher nicht möglich.

Der Anwalt warnte auch vor einer „überdehnenden Interpretation“ der Niederlassungsfreiheit: Der freie Binnenmarkt solle die freie Wahl des Standortes für Unternehmen garantieren, nicht aber die Standortbedingungen. Das von der Kommission gelobte Vorgehen der saarländischen Behörden bezeichnete Schwarze als „nicht normales Verwaltungshandeln, sondern ein Manöver der Rechtspolitik“.

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