Kommentar

Die Lethargie der Apotheker

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Berlin -

Getrennt marschieren, vereint zuschlagen. Nach dieser Devise wurden schon viele Schlachten geführt – und gewonnen. Dass die ABDA und ihre Mitgliedsorganisationen derzeit mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf unterschiedlichen Pfaden unterwegs sind, ist unübersehbar. Nur dass sich die Truppen im Gelände wiederfinden, daran muss momentan gezweifelt werden.

 

Nach außen gibt es von der ABDA keinen Kommentar zur politischen Lage. Vielleicht geht man in der Jägerstraße davon aus, dass sich doch noch etwas machen lässt. Im kleinen Kreis bemühen sich die Standesvertreter daher den Eindruck zu erwecken, alles unter Kontrolle zu haben. Vor einer konzertierten Eskalation schreckt man in der ABDA-Spitze zurück: Wenn es an der Basis ordentlich rumort, kann man umso besser verhandeln.

So weit, so gut. Aber was, wenn die vermeintliche Taktik nur Zufall ist? Wenn es keine Strategie, keine Krisenpläne, nicht einmal Abstimmung gibt? Der schleswig-holsteinische Verbandschef Peter Froese war, zusammen mit drei Dutzend Kollegen, schon zwei Wochen nach Bekanntwerden der 25-Cent-Pläne vor den Landtag in Kiel marschiert. Weil es ihm seitdem niemand nachgemacht hat, lässt er jetzt Postkarten drucken.

DAV-Chef Fritz Becker hat für Baden-Württemberg Warnstreiks angekündigt – und bleibt alleine damit. Der ABDA-Präsident? Beteiligt sich an der Postkartenaktion. Der Vorsitzende des PR-Ausschusses? Verschickt Traubenzucker. Und die anderen Protestapotheker des Jahres 2006? Gar nichts.

 

 

Aus Brandenburg, Hessen und Westfalen-Lippe kommen derweil Meldungen, dass nur eine Minderheit der Apotheker bereit ist, im Kampf für die überfällige Honoraranpassung ihrer Kammer oder ihrem Verband ein Fax zu schicken. Nicht auf die Straße zu gehen oder die Apotheke zuzusperren. Sondern nur ein Fax zu schicken.

Und hier liegt das Problem. Es geht nicht darum, sich von Polizisten herumschubsen zu lassen. Es geht auch nicht darum, Umsätze zu opfern oder Kunden zu verprellen. Es geht darum, die Muskeln spielen zu lassen. Wie aber sollen Menschen wie Froese und Becker oder auch die Protestapotheker ihren Spannungsbogen aufrecht halten, wenn niemand mitzieht? Wenn die Apotheker nicht einmal für die Schlagzeile taugen, sie wären zum Streik bereit.

Vielleicht ist das Versagen der Basis am Ende aber doch das Versagen der Führung. „ABDA und BMG verabreden weiteren Dialog“, hieß es im Nachgang zum Gesprächstermin bei Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. Wer sich im gesundheitspolitischen Berlin auf eine derart weichgespülte Sprachregelung einlässt, der kann nicht erwarten, dass in den Apotheken auf dem Land die Krallen ausgefahren werden.

 

 

Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass es nicht Diplomatie ist, sondern Angst, die die Standesvertreter verstummen lässt. Die Raubbau-Kampagne hat Bahr richtig geärgert, das wird er nicht müde, bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu verkünden. Aber war die Aktion deshalb schlecht? Muss man wirklich ein Freund sein von Politikern, die einen offensichtlich an der Nase herumführen? Hätte man sich soviel verbaut, wenn man nach dem Termin bei Bahr einmal Dampf abgelassen hätte?

Clevere Protestmaßnahmen werden übrigens auch noch gesucht. Angeblich ist ein Aktionspaket in der Endabstimmung. Genaueres weiß derzeit niemand. Der ABDA-Kommunikationschef hat den Apothekertag ins Auge gefasst. Mitte Oktober wird es aber vermutlich zu spät sein. Manchmal geht es nicht darum in Schönheit zu sterben. Manchmal hilft es schon, wenn man laut auf den Tisch haut.

 

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