Versandapotheken

„Der Falsche zahlt die Steuern“

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Berlin -

Haben die Krankenkassen jahrelang mit ausländischen Versandapotheken falsch abgerechnet? Die Kanzlei Hönig & Partner geht davon aus, dass die Kassen alle Arzneimittel selbst versteuern müssen, die zu ihren Lasten abgegeben werden. APOTHEKE ADHOC sprach mit Kanzleichef Gilbert Hönig und Achim Günter, Fachanwalt für Steuerrecht über die Steuerschuld, Lieferschwellen und die Besonderheit von „Vorteil24“.

 

ADHOC: Warum soll für ausländische Versandapotheken der deutsche Mehrwertsteuersatz gelten?

GÜNTER: Grundgedanke des europäischen Umsatzsteuerrechts ist es, Wettbewerbsverzerrungen durch abweichende nationale Steuersätze zu vermeiden. Deshalb gilt das sogenannte Bestimmungslandprinzip.

ADHOC: Gilt das für Rx- und OTC-Arzneimittel?

HÖNIG: Wenn die Abgabe des Arzneimittels zu Lasten der GKV erfolgt, liegt immer ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor, wenn eine Schwelle von 12.500 Euro überschritten wird, egal ob das Arzneimittel aus dem EU-Ausland abgeholt oder von dort versandt wird. Das heißt: Die Krankenkasse ist umsatzsteuerlicher Abnehmer, dies ergibt sich aus dem Sachleistungsprinzip und den Regelungen des Rahmenvertrags. Bei OTC-Arzneimitteln liegt die Umsatzsschwelle für die ausländische Versandapotheke bei 100.000 Euro.

ADHOC: Wer muss die Umsatzsteuer abführen?

GÜNTER: Die Umsatzsteuer abführen muss der Steuerschuldner. Das ist bei Lieferung an die GKV die Krankenkasse, im Falle des OTC-Versandes die ausländische Versandapotheke, da typischerweise die Liefer- und Erwerbsschwellen überschritten werden.

 

 

ADHOC: Aber die großen Versandapotheken zahlen doch in Deutschland Steuern.

HÖNIG: Es wurde zwar die deutsche Umsatzsteuer bezahlt, aber es hat gegebenenfalls der Falsche bezahlt. Das Problem bei den großen Versandapotheken könnte darin liegen, dass sie generell 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen, dabei aber nicht zwischen Rx- und OTC-Umsätzen unterscheiden. Denn Rx-Medikamente hat die Krankenkasse umsatzsteuerrechtlich erworben und müsste sie selbst versteuern. Die Versandapotheke liefert insoweit steuerfrei.

ADHOC: Was ist die Besonderheit bei „Vorteil24“?

GÜNTER: Wie das Bundesfinanzministerium zwischenzeitlich klargestellt hat, kann die niederländische Umsatzsteuer zumindest gegenüber der GKV nicht zur Anwendung kommen. Insoweit liegt bei Konzepten, die mit einem geringeren ausländischen Steuersatz arbeiten, auch eine nach geltendem Umsatzsteuerrecht nicht zulässige Wettbewerbsverzerrung vor.

ADHOC: Müssen die teilnehmenden deutschen Apotheken mit Konsequenzen rechnen?

HÖNIG: Eine Haftung kommt nur in Frage, wenn der Steuerschuldner nicht in der Lage ist, die Steuer zu begleichen. Dies dürfte bei der gesetzlichen Krankenversicherung nicht anzunehmen sein. Bei OTC-Lieferungen und Privatrezepten müsste die Finanzverwaltung darüber hinaus für eine Haftung im Vertriebsmodell „Vorteil24“ ein Konstrukt zur gemeinschaftlichen Hinterziehung von Umsatzsteuer durch alle Beteiligten sehen. Das ist aber wegen der Komplexität der damit zusammenhängenden Besteuerungsfragen aus meiner Sicht nicht zu erwarten. Denkbar ist, dass das Konstrukt als Missbrauch steuerrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne der Abgabenordnung eingestuft wird, was aber für sich meines Erachtens keine Haftung begründet.

 

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