Bundesverfassungsgericht

Sozialverband klagt für bessere Pflege

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Berlin -

Der Sozialverband VdK will wegen „grundrechtswidriger Zustände“ im deutschen Pflegesystem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anrufen. Mit zehn Musterklagen sollten mehr Hilfe und bessere Betreuung für Senioren erzwungen werden, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher der Süddeutschen Zeitung.

Der Verband mit 1,7 Millionen Mitgliedern wolle „gesetzgeberisches Unterlassen“ rügen: 20 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung solle die Politik grundlegende Reformen nicht nur ankündigen, sondern auch umsetzen. Ziel der Klage sei, dass Menschen in Deutschland künftig in Würde altern könnten, sagte Mascher.

Die schwarz-rote Bundesregierung habe zwar eine große Pflegereform angekündigt – die Missstände seien aber nun seit so vielen Jahren bekannt und von diversen Expertenbeiräten analysiert worden, und eine Reform sei gleichwohl ausgeblieben, so Mascher. Es gelte nun, in Karlsruhe einen Mindeststandard an Pflege sicherzustellen und grundlegende Verbesserungen auch für Demenzkranke einzuklagen. Die häusliche Pflege solle ebenfalls stärker gefördert werden.

Der VdK plant, die Klage im August einzureichen. Allerdings ist laut einer Sprecherin die Klageschrift noch nicht verfasst, auch die benötigten Kläger sind noch nicht gefunden. Grundlage der Klage ist die Dissertation der Juristin Susanne Moritz, die wegen der offenkundigen Missstände in deutschen Pflegeheimen die Grundrechte der Pflegebedürftigen verletzt sieht. Der Staat missachte durch seine bisherige Untätigkeit seine Schutzpflichten, so die These. Moritz kommt zum Schluss, dass jeder potentiell Pflegebedürftige den Klageweg bis zum Bundesverfassungsgericht beschreiten könne – deshalb strengt der VdK das Musterverfahren an.

Zu den Erfolgsaussichten des Vorstoßes äußerte sich der Paritätische Gesamtverband, in dem auch der VdK organisiert ist, zurückhaltend: „Ob nun das juristische Verfahren über das Bundesverfassungsgericht zielführend sein wird, das bleibt abzuwarten, da kann man skeptisch sein“, sagte der Vorsitzende Professor Dr. Rolf Rosenbrock. Grundsätzlich unterstütze der Verband die Klagen aber.

Die Große Koalition hält die Klage für aussichtslos. „Ich rechne fest damit, dass die Klagen abgewiesen werden“, sagte SPD-Fraktionsvize Professor Dr. Karl Lauterbach. Er bezeichnete den Vorstoß als Fehlgriff und wies darauf hin, dass die Große Koalition bereits an einem Gesetz zur Pflegereform arbeite.

Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), wies die Vorwürfe des VdK zurück. Er widerspreche der Ansicht des VdK energisch, dass in der Pflege flächendeckend grundrechtswidrige Zuständen herrschten, sagte Laumann. Sowohl in Familien als auch in professionellen Einrichtungen gebe es einen aufopferungsvollen Einsatz für Pflegebedürftige mit viel menschlicher und fachlicher Kompetenz.

Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg, sagte: „Das Ziel der Klage ist absolut unterstützenswert.“ Alle Pflegebedürftigen müssten das Recht auf ein menschenwürdiges Altern haben. Dafür zu sorgen, dabei hätten die letzten Bundesregierungen kläglich versagt. Grundlegende Missstände wie die mangelnde Versorgung Demenzkranker seien bestehen geblieben.

„Jetzt steht erneut die größte Pflegereform aller Zeiten an, doch das Kernstück, der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff, steht gar nicht im Gesetzentwurf. Er soll in einem zweiten Schritt kommen. Das macht misstrauisch“, kritisierte Scharfenberg. Für die pflegepolitische Sprecherin der Linken, Pia Zimmermann, ist die Klageankündigung als „Zeichen des vehementen Protests gegen die politische Lethargie im Bereich Pflege zu verstehen“.

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