Arzneimittelgesetz

Stroppe: Konsens zur Vertraulichkeit

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Berlin -

Wer kann ein Geheimnis für sich bewahren? Diese Frage beschäftigt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Die Pharmahersteller wollen vertrauliche Preise, die Kassen sind dagegen. Ein mit dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) abgestimmter Vorschlag zum seit Langem erwarteten Pharmadialog-Gesetz soll Mitte Oktober ins Kabinett gehen.

Es gebe dazu „verschiedene Modelle“, bestätigte Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG). „Die Bundesregierung wird sich für ein Modell entscheiden.“ Anvisiert wird der Kabinettsbeschluss zum Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) für den 12. Oktober.

Beim Thema Vertraulichkeit gehe es allerdings nicht um „Geheimhaltung“, stellte Stroppe beim der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) klar, auch nicht um Vertraulichkeit im engen Wortsinne. Bewusst habe man ins Abschlusspapier des Pharmadialogs „öffentliche Listung“ geschrieben. „Vertrauliche Preise sind keine Geheimpreise“, sagte Stroppe. Das BMG will offenbar am Vorschlag festhalten, die Erstattungspreise Ärzten, Apothekern und anderen notwendigen Stellen bekannt zu machen.

Festhalten will Gröhe auch am Preismoratorium und am Umsatz-Schwellenwert von 250 Millionen Euro im ersten Jahr der Markteinführung. Die Bundesregierung werde darauf achten, dass die Arzneimittelpreise „nicht in den Sternen landen“, so Stroppe.

Darüber hinaus kündigte Stroppe Korrekturen am AM-VSG im Detail gegenüber dem Referentenentwurf an: Das BMG werde beispielsweise die Definition für bereits am Markt befindliche Wirkstoffe schärfen, die für neue Indikationen zugelassen werden sollen. „Es wird dabei zu keinem Aufruf des Bestandsmarktes kommen“, versicherte Stroppe.

Der BMG-Staatssekretär kündigte die Fortsetzung des Pharmadialogs in der nächsten Legislatur an. Das Instrument habe sich bewährt, resümierte Stroppe. Überlegt werden müsse aber, den Teilnehmerkreis zu erweitern. Die Bundesländer hätten Interesse angemeldet. Dort gebe es vergleichbare Dialogformen mit der Pharmaindustrie. Vorstellbar sei auch eine Einbeziehung der Krankenkassen. Als Themen adressierte Stroppe die Digitalisierung im Gesundheitswesen und die Entwicklung zur personalisierten Medizin.

Stroppe erwartet nach dem Kabinettsbeschluss eine „intensive Debatte im Parlament“ über das AM-VSG. Der Pharmadialog könne die parlamentarische Beschlussfassung nicht vorwegnehmen, reagierte Stroppe auf Kritik von Philipp Huwe, Geschäftsführer vom AbbVie Deutschland und neuer BAH-Vize. Huwe hatte in der Diskussion mangelnde Verbindlichkeit der Absprachen des zweijährigen Dialogs beklagt. Von der Verlängerung des Preismoratoriums sein die Industrie „kalt erwischt“ worden. Huwe: „Darüber haben wir nicht gesprochen.“

Huwe kritisierte das Preismoratorium angesichts des Polsters von Kassen und Gesundheitsfonds von circa 25 Milliarden Euro als „nicht mehr angemessen“. Die Firmen blieben auf ihren seit 2010 gestiegenen Kosten sitzen. Aufgrund von Tarifvertragserhöhungen seien die Personalkosten um 16 Prozent gestiegen. Zusätzliche Kosten verursachte auch die Umsetzung von EU-Richtlinien. Allerdings vermied Huwe in der Diskussion Hinweise auf Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung des Preismoratoriums.

Einig war sich die Diskussionsrunde in der insgesamt positiven Wertung der Gespräche. „Der Pharmadialog war auf jeden Fall gut“, sagte Huwe. Für den GKV-Spitzenverband bedauerte Johann Magnus von Stackelberg, dass die Krankenkassen in den Pharmadialog nicht einbezogen waren. „Schade, dass wir nicht dabei waren. Wenn man mehr beteiligt, kommt vielleicht mehr raus.“

Für die CDU/CSU-Fraktion künftige Michael Hennrich, Obmann im Gesundheitsausschuss, an, die Umsetzung des AM-VSG im Bundestag genau unter die Lupe zu nehmen: „Spannend wird jetzt die Umsetzung“. Besonders in den Fokus nehmen will Hennrich dabei das neue Arzt-Informationssystem (AIS). Das AIS könne größere Wirkung für den Arzneimittelmarkt entfalten als das AMNOG, ist Hennrich überzeugt. Dafür müsse man die Qualität der Arzneimittelversorgung für den Patienten stärker in den Mittelpunkt stellen.

Aus Sicht von Hennrich muss das neue AIS im Idealfall drei Aufgaben erfüllen: Es soll die Arzneimittel-Informationen und Bewertungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für den Arzt aufbereiten. Im zweiten Schritt soll es dem Arzt ein „Preissignal“ geben. Hennrich: „Die Wirtschaftlichkeit soll implementiert werden.“ Des Weiteren könne das AIS mittelfristig gute Erkenntnisse für die Versorgungsforschung und Evidenz gewinnen helfen.

Laut Stroppe sind Befürchtungen unbegründet, das AIS führe zur Bevormundung von Ärzten. Es stärke vielmehr die Therapiefreiheit, weil es dem Arzt Informationen liefere. Thomas Müller, im G-BA für Arzneimittelbewertung zuständig, unterstrich die Bedeutung des AIS. Bei 40 neuen Wirkstoffen jährlich „kommen wir ohne Software-Unterstützung überhaupt nicht mehr weiter.“ Die Software müsse die Informationen möglichst konkret zum Arzt transportieren. Das präjudiziere die Therapieentscheidung des Arztes nicht.

„Aus vollem Herzen“ begrüßt auch der GKV-Spitzenverband das neue AIS. Das ARMIN-Projekt in Sachsen und Thüringen belege den Nutzen solcher Informationssysteme, so Stackelberg. Der Vize des GKV-Spitzenverbandes plädierte für eine Wettbewerb von AIS-Angeboten verschiedener Anbieter: „Wie bringen wir die Informationen am besten an die Verordner?“

In der Industrie bestehen dazu allerdings Vorbehalte. „Wir haben die Sorge, dass AIS missbraucht wird“, so Huwe Dass die Therapiefreiheit mit Blick auf die Arzneimittelkosten eingeschränkt werde. Man müsse sich den Informationsgehalt daher „genau überlegen“. Der AbbVie-Chef will über die Einbeziehung der Hersteller in AIS nochmals mit dem BMG sprechen.

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